Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hampe, Karl [Bearb.]
Letztes Korrekturbogen-Exemplar von Kantorowicz mit meinen kritischen Bemerkungen (Manuskripttitel) — Heidelberg, 1926-12-28/​1927-1-29

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34052#0617
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kaiser hat das Meiste verschleiert, das Gerede der Zeitgenossen das
Meiste entstellt. Die Mitwelt erfuhr kaum mehr als die Tatsache von Vi-
neas plötzlichem Sturz und seiner Verhaftung. Das Nächstliegende war
die Vermutung, daß auch der Protonotar und Logothet Siziliens gleich
so vielen andern Verrätern vom Papste gewonnen war. Es läßt sich je-
doch mit einiger Sicherheit sagen, daß eine Konspiration Vineas mit
dem Papst nicht in Betracht kommt. Seinem Verrat ging kein Gesin-
nungswandel zur Seite, ihn trieb auch kein plötzlich erwachender Guel-
fengeist, kein Freiheitsfanatismus gegen den Tyrannen, den er dennoch
verehrte und liebte: das hätte allenfalls einem Brutusverrat gleichkom-
men können .. doch ein Brutus ist Vinea nicht gewesen. Keineswegs aber
war Vinea schuldlos und nicht nur der Neid, die „Hure der Höfe“, hat
den Capuaner zu Fall gebracht. Er ist gestrauchelt nicht als Verteidiger
einer hohen Idee, sondern als Einer, der in lächerlicher persönlicher
Nutzäcuht den Kaiser betrog.
Soweit die Nachrichten ausreichen scheint sich das Unbegreifliche
wiederholt zu haben: daß nämlich auch Vinea gleichsam um eine Hand-
voll Silberlinge den Leib seines Herrn preisgab, indem er die Justitia um
Geld verkaufte. Nur ein einziges Mal spricht der Kaiser in einem ganz
vertraulichen Schreiben an seinen Schwiegersohn, den Grafen Richard
von Caserta, ganz kurz über die Schuld des Vinea, den er einen „zweiten
Simon“ nennt, „der, daß er Geldbeutel hätte oder sie füllte, der Gerech-
tigkeit Stab in eine Schlange wandelte“. Die Versuchung war für Vinea
immer groß gewesen. Durch seine Hände gingen alle Briefe und Bitt-
gesuche an den Kaiser, er entschied was vorzulegen und was selbständig
zu entscheiden war, und an ihn, den Vertrauten und Mitwisser aller Ge-
heimnisse, wandten sich Fürsten und Könige, Prälaten und Päpste, die
bei Friedrich II. etwas durchsetzen wollten. Hier hat wohl Petrus de
Vinea seine Vollmachten mißbrauchend um Geld Dinge geschehen und
durchgehen lassen, die das Reich gerade in jener bedenklich drohenden
Zeit an den Abgrund bringen konnten. Auch in seiner Eigenschaft als
Überwacher des gesamten Rechnungswesens im sizilischen Königreich
könnte er Unterschleife der Beamten gedeckt oder gar selbst begangen
haben. Tatsächlich hat Vinea ein ungeheures Vermögen hinterlassen
und wieweit das auf rechtlichem Wege erworben war, mußte der Kai-
ser einigermaßen übersehen können. Unterschleife in jener geldknappen
Zeit aber waren tatsächlich Hochverrat, und von der Untreue noch ab-
zusehen, dürfte Vinea — wie Friedrich II. weiterhin an den Grafen Ca-
serta schrieb — wirklich „durch gewohnheitsmäßiges Prellen das Im-
perium jener Gefahr zugejagt haben, durch die der Kaiser wie das Reich

608
 
Annotationen