Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hampe, Karl [Oth.]
Nachlass Karl Hampe: Letztes Korrekturbogen-Exemplar von Kantorowicz mit meinen kritischen Bemerkungen (Manuskripttitel) — Heidelberg, 1926-12-28/​1927-1-29

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34052#0235
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
die Gerechtigkeit dem römischen Reich von Anbeginn einwohne, sucht
er im mittleren Buch zu beweisen., und im dritten: daß der Kaiser un-
mittelbar von Gott gesetzt sei als Vollstrecker der weltordnenden gött-
lichen Voraussicht und als Führer zur höchsten Vernunft. Dante sucht
die Beweise, die Begründung für die Monarchie .. Friedrich hatte die
Monarchie geschaffen, wenn auch auf kleinerem Raum. Doch die drei
lebensmäßigen Grundkräfte: Necessitas Justitia Providentia sind in
Dantes Staatsbild genau die gleichen wie in dem wirklichen Staate des
Kaisers. Freilich, des Dichters Schrift zeigt nicht nur die Aufweitung
jenes Kräftegesamts über die ganze Welt, sondern gleichzeitig deren Ver-
dichtung auf den einzelnen Menschen, das Individuum. Das wäre dann
das Äußerste: die Welt eine Staatseinheit von ungeheurem Umriß und
dabei in jedem Einzelwesen die Einheit und Kräfteharmonie des Gan-
zen ... nach Platon und Dante ist bis heute der Kosmos nicht so ur-
sprünglich als lebendiger Staat und der Staat als Kosmos gesichtet und
gesagt worden. Von Friedrich II., dem Täter, aber ist Aufweitung und
Verdichtung nur angedeutet: jene führte ihn bald zur Gründung der ge-
samt-italischen Kolossal.-Signorie .. die Verdichtung des Staatsganzen
auf den einzelnen Menschen, das Individuum hat er so kaum gewollt
noch weniger verwirklicht — außer in seiner eignen Person. Er selbst
war ja der Erste, den das Sakrament des Staates erlöst hat.
Welcher Art war nun das Heil, das die weltliche Monarchie des Kai-
sers zu bringen verhieß — von Dante später in der großen Heilsverkündi-
gung mit solcher Glut neu offenbart, vertieft und erweitert? In der Früh-
zeit Friedrichs II. hatte Franz von Assisi durch Wandel und Wort die
selige Botschaft des Gekreuzigten erneuert, daß die Liebe zu allem vom
Gotteshauche belebten Geschöpf und die Armut die Welt zur Erlösung
zurückführe. Mit gleicher Eindringlichkeit predigte nunmehr Fried-
rich II. das Evangelium des Verklärten, der selbst ein König und könig-
lichen Geblüts den Heilsweg wies, als er sich trotz seiner göttlichen
Sohnschaft dem Gesetz unterwarf und als Mensch das Gesetz erfüllte.
Daß auf Erden Gesetzeserfüllung Erlösung sei, Gesetzesgebundenheit
Freiheit bedeute, und Gesetzesgehorsam zurückführe zu der gottgewoll-
ten Geradheit und Rechtheit der Menschen: das war das Mysterium des
Kaisers. Denn Justitia bedeutete nicht nur die strafende und rächende
Macht, welche die Menschheit vor dem'Untergange bewahrte, sondern
sie war außerdem das Korrektiv der entarteten Menschennatur, welche
Gott ursprünglich „aufrecht und einfach“ gewollt hat.. war die Kraft,
die zu einem höchsten Ziel hinleitete: zur Verwirklichung der „besseren
Natur“ des vor dem Sündenfall gottgleichen Wesens. Daher stellt der

234
 
Annotationen