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Hennig, Hilke; Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege [Mitarb.]
Die Grab- und Hortfunde der Urnenfelderkultur aus Ober- und Mittelfranken — Materialhefte zur bayerischen Vorgeschichte, Band 23: Kallmünz, Opf.: Lassleben, 1970

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https://doi.org/10.11588/diglit.70667#0039
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RELATIVE CHRONOLOGIE

Die Vielfalt der Typen bei in der Regel seltenem
Auftreten der einzelnen Form erschwert die Er-
stellung eines feingliedrigen Chronologieschemas
im Arbeitsgebiet. Zwei der wichtigsten Vorausset-
zungen für chronologische Untersuchungen sind
nicht ausreichend gegeben: Reichtum an kennzeich-
nenden, über einen kurzen Zeitraum beschränk-
ter Bronzeformen, und über eine längere Zeit-
spanne ununterbrochen in eine Richtung belegte
Gräberfelder, die horizontalstratigraphische Schluß-
folgerungen erlauben könnten. Noch weniger scharf
als mit Hilfe der Bronzegegenstände lassen sich
anhand der Grabkeramik aufeinanderfolgende
Stufen voneinander trennen, obwohl die Tonge-
fäße in Formgebung und Dekorationsstil emp-
findlicher auf zeitbedingte Wechsel reagieren als
die langlebigeren Bronzen. Doch sind hier nur
immer einzelne Elemente im Stil typisch für be-
stimmte Phasen und leben oft über zwei oder
drei Phasen fort, so daß häufig nur ein prozen-
tuales Überwiegen an Merkmalen als kennzeich-
nend gewertet werden kann und eine aussagefähi-
ge Prüfung des Materials ohne Einbeziehung der
Siedlungskeramik undenkbar ist; zudem verwi-
schen in Franken starke Lokalausprägungen die
Erstellung eines einheitlichen Bildes.
Die urnenfelderzeitliche Kulturgruppe in Ober-
und Mittelfranken bietet nicht ausreichendes Ma-
terial, um ein selbständiges relativ-chronologi-
sches Ordnungssystem sichtbar werden zu lassen.
Ein Teil der Funde kann zeitlich nur ungefähr,
ein anderer Teil nur durch außerfränkische Par-
allelen bestimmt werden. Dieser Vorgang ist pro-
blematisch bei der Lage Nordostbayerns im Grenz-
bereich zweier bedeutender urnenfelderzeitlicher
Hauptgruppen, der böhmischen und der süddeut-
schen. Nicht immer ist die Lebensdauer einzelner
Typen bekannt, und die Geschwindigkeit ihrer

Verbreitung archäologisch schwer faßbar; auch
scheint die Weiterentwicklung einzelner Typen in
verschiedenen Gebieten durchaus verschiedenartig
zu verlaufen. Die Differenzen in den Chronolo-
giesystemen und im Bearbeitungsstand böhmischer
und süddeutscher Urnenfelderkulturen erschwe-
ren die Klärung chronologischer Probleme.
Trotz des zeitweilig engsten kulturellen Anschlus-
ses an Böhmen und trotz des den östlichen Urnen-
feldergruppen in großen Zügen folgenden Ent-
wicklungsganges veranlassen manche grundsätzli-
che Übereinstimmungen mit süddeutschen urnen-
felderzeitlichen Erscheinungen dazu, die bayeri-
schen Provinzen Ober- und Mittelfranken in den
Rahmen des süddeutschen Chronologiesystemes zu
stellen96. Nach wie vor hat P. Reineckes Eintei-
lung weitgehend seine Gültigkeit und bedarf nicht
einer neuen, grundsätzlichen Beweisführung. Es
wird hier dem Vorgang H. Müller-Karpes gefolgt
und die Abwicklung der Urnenfelderkultur über
drei Hauptstufen (Reinecke Bz D, Ha A und Ha
B) gesehen. Das Fundgut Ober- und Mittelfran-
kens macht die Abfolge in drei Phasen deutlich.
Die Stufe Bz D, in anderen Landschaften häufig
als nicht zur eigentlichen Urnenfelderzeit zuge-
hörig angesehen, weist sich im Arbeitsgebiet trotz
eines recht selbständigen Formenkreises durch
zahlreiche Verbindungen mit der folgenden Zeit-
phase als Frühstufe der Urnenfelderkultur aus;
der Übergang zur Mittelstufe vollzieht sich ohne
tiefgreifenden kulturellen Abbruch. Unter der Mit-
telstufe, zeitlich am längsten andauernd und ohne
plötzliche Wandlungen im Kulturgut ablaufend,
werden H. Müller-Karpes Stufen Ha A 1, Ha A
2 und Ha B 1 verstanden. Mit den Funden der
Stufen Ha B 2/3 treten dann eine Reihe neuer
Typen und neue Grabformen auf, die die Abgren-
zung einer Spätstufe rechtfertigen.

96) Über das Verhältnis in der Zeitstellung böhmischer und nordostbayerischer Urnenfelderkulturgruppen siehe
J. Böhm, Spätbronzezeitliche Scheibenkopfnadeln aus Böhmen. Germania 20, 1936, 16. — H. Müller-Kar-
pe, Beiträge zur Chronologie der Urnenfelderzeit nördlich und südlich der Alpen (1959), 182 ff. — J. Bou-
zek, Besprechung von H. J. Hundt, Katalog Straubing II. BVB1. 30, 1965, 296 ff. — J. Bouzek, H. Da-
vid, J. Hrala, K. Nuglisch, J. Rihovsky und V. Vokolek, Zur urnenfelderzeitlichen Chronologie Mitteleuro-
pas. VII. Internationaler Kongreß für Vor- und Frühgeschichte. Prag 1966.

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