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Hirschfelder, Dagmar
Tronie und Porträt in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts — Berlin: Mann, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.47555#0101

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Erscheinungsformen des holländischen Porträts 1615—1633

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formatiger Bildnisse [Kat. 31, Taf. 6].59 Van Schooten
scheint dagegen einen größeren Teil der in den zwan-
ziger Jahren in Leiden vergebenen Porträtaufträge
ausgeführt zu haben.60 Als weiterer Meister, der sich
auf lokaler Ebene einen Namen als Porträtist machte,
istjacob Gerritsz. Cuyp (1594-1652) erwähnenswert.
Dieser lebte und arbeitete in Dordrecht und fertigte
bereits seit Beginn seiner selbständigen Tätigkeit im
Jahr 1617 auch Bildnisse an.61 Für die Porträtmalerei
der Provinz Friesland war der Leeuwardener Künst-
ler Wybrand Symonsz. de Geest (1592-ca. 1662)
von besonderer Bedeutung.62 Nach einer Lehre bei
Abraham Bloemaert in Utrecht und einem mehr-
jährigen Aufenthalt in Rom kehrte de Geest Anfang
der zwanziger Jahre zurück nach Leeuwarden, wo er
sich auf die Porträtmalerei spezialisierte. Zu seinen
vornehmsten Auftraggebern gehörten Mitglieder der
friesischen Aristokratie, darunter auch die Grafen
von Nassau.
2.4 Porträts in repräsentativer
zeitgenössischer Kleidung
Bei den meisten der im Untersuchungszeitraum ge-
schaffenen Bildnisse handelt es sich um Porträts in
repräsentativer zeitgenössischer Tracht, die im Fol-
genden auch als konventionelle Porträts< bezeichnet
werden. Als umfangreichste Gruppe unter den zur
Diskussion stehenden Porträts mit nur einer Figur
in begrenztem Bildausschnitt sollen sie zuerst in den
Blick genommen werden. Bei der Ermittlung der
Merkmale und Eigenschaften der Werke ist zu be-
achten, dass Frans Hals’ unkonventionell gestaltete
Einfigurenbilder in zeitgenössischer Tracht, etwa der
Lachende Junge in Den Haag [Kat. 203, Taf. VI], von
vornherein aus der Gruppe entsprechender Bildnisse
ausgeschlossen werden. Um einen Zirkelschluss zu
vermeiden, wurde das Bildmaterial daher unter be-
sonderer Berücksichtigung der Frage gesichtet, ob
im Werk von Hals oder anderer Porträtmaler Gemäl-
59 Vgl. Bruyn 1951, S. 160; Ekkart 1976/77b, S. 36.
60 Vgl. Ekkart 1976/77b, S. 36-39.
61 Vgl. Ekkart 2002b.
62 Zum Werk de Geests vgl. Wassenbergh 1967, S. 30-40; Vries
1982.
63 Houbraken 1753, Bd. 3, S. 25: »Onze Leidsche Ridder Karel
de Moor, (die in dien tyd veel aan ‘t buis van Jan Steen kwam,
die heel openhartig was, en gereed om den jonge Schilders
door berigt dienst te doen) heeft my verhaald, dat Marit)e

de vorkommen, die aufgrund der Identifizierung der
Dargestellten sicher als Bildnisse bestimmt werden
können, gleichzeitig aber in ähnlicher Weise gestaltet
sind wie Hals’ als Tronien klassifizierte Bilder.
Bei Arnold Houbraken findet sich ein Hinweis
darauf, dass sich Auftraggeber in der Regel in ihrem
besten Kleid, in der Sonntagstracht, darstellen lie-
ßen.63 Ausnahmen, zu denen wir im nächsten Kapi-
tel kommen, machen einen durchaus wichtigen, aber
im Vergleich ausgesprochen kleinen Teil aus. Das
Aussehen der niederländischen Kleidung der ers-
ten Hälfte des 17. Jahrhunderts ist durch eine Reihe
feststehender Elemente geprägt, die sich hinsichtlich
der Form bzw. des Schnittes zwar im Laufe der Zeit
wandelten, grundsätzlich jedoch erhalten blieben.64
Hierzu zählen beim Mann unter anderem unter-
schiedliche Arten der gefältelten Krause bzw. des
flachen Kragens, der die Krause ab 1630 weitgehend
ersetzte, die meist mit Spitzenborte verzierten Man-
schetten sowie der Hut mit breiter, weicher Krempe,
die sich zu einer beliebigen Seite hochklappen ließ.
Bei der Frau entwickelte sich im Laufe der Jahr-
zehnte eine noch größere Vielfalt von Kragenformen.
Em besonders charakteristisches Merkmal der weib-
lichen Kleidung war die Haube, die zu verschiedenen
Zeiten in unterschiedlichen Varianten vorkam. Farb-
lich dominierten sowohl bei der männlichen als auch
bei der weiblichen Tracht Schwarz und Dunkelgrau,
wovon sich das Weiß der Krägen und Manschetten
sowie der häufig getragene Goldschmuck in starkem
Kontrast absetzten. Die Kostbarkeit der Kleidung
drückte sich nicht etwa in Buntfarbigkeit, sondern
vielmehr in den edlen Stoffen, der üppigen Verwen-
dung aufwendig gearbeiteter Spitze und wertvollem
Schmuck aus.
Frans Hals’ 1625 geschaffene Pendantbildnisse
von Jacob Pietersz. Olycan (1596-1638) und Aletta
Hanemans (1606-1653) (beide in Den Haag, Mau-
ritshuis) [Kat. 204-205, Taf. 43] geben ein anschau-
liches Beispiel für eine besonders repräsentative
Kleidung, die Mitte der zwanziger Jahre modern
altyt haar Man plaagde om geschildert te wezen, gelyk men
de pourtretten gemeenlyk riet, in hun Zondags pak.« (Her-
vorhebung von der Verf.).
64 Zu der in den Nördlichen Niederlanden zwischen 1600 und
1660 getragenen Mode vgl. Thienen 1930; Kinderen-Besier
1950, bes. S. 5-152; Mortier 1989/90; Raupp 1995b, S. 7-12;
Groeneweg 1995; Groeneweg 1997/98; Winkel 1999; Win-
kel 2007/08.
 
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