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Hirschfelder, Dagmar
Tronie und Porträt in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts — Berlin: Mann, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.47555#0104

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Der Bildbefund der 1620er und frühen 30er Jahre

Die Gegenstände, die Männer, Frauen und auch
Kinder auf Porträts des Untersuchungszeitraumes in
der Hand halten, gehören zu einem Repertoire fest-
stehender Attribute, die auf den sozialen Status, das
politische Amt oder den Beruf der Dargestellten ver-
weisen, aber auch eine symbolische Bedeutung haben
können.82 Attribute wie Handschuhe oder Fächer
werden in der Regel als Statussymbole gedeutet [Kat.
342-343, Taf. 73].83 Auch Helm, Schwert, Goldkette
und Befehlshaberstab, die vor allem auf Porträts von
Adligen häufig vorkommen, gehören in diesen Bereich
[Kat. 340, Taf. 72]. Andere Gegenstände sind weniger
als Zeichen für den Rang als vielmehr für die beruf-
liche Tätigkeit oder geistige Beschäftigung des Por-
trätierten zu verstehen. So hält z.B. der katholische
Pfarrer Augustinus de Wolff (1585-1635) auf einem
1631 datierten Porträt Maria de Grebbers in Utrecht
(Museum Catharijneconvent) [Kat. 180, Taf. 36] ein
kleines Gebetbüchlein in der Hand, das sowohl auf
seinen Beruf als auch auf seine Frömmigkeit ver-
weist.84 Die symbolische Bedeutung von Attributen
kann sich auf die Persönlichkeit des Dargestellten,
in Pendantbildnissen aber auch auf sein Verhältnis
zu seinem Gegenüber beziehen. Eine der Frau im
Pendantbildnis beigegebene Nelke oder Rose kann
z.B. im Sinne zeitgenössischer Liebesmetaphorik
interpretiert werden.85 Bruyn zufolge sind Blumen,
ähnlich wie Uhrwerke oder Totenschädel, häufig als
Vanitasmotiv zu deuten.86
Ebenso wie viele der Gegenstände oder Attribute,
die die Dargestellten in der Hand halten, beziehen
sich auch Ausstattungsstücke des Raumes, in dem
der Porträtierte posiert, - etwa Tisch, Stuhl, Vorhang
oder Säule - auf den realen oder angestrebten Status
des Dargestellten [Kat. 340, Taf. 72, Kat. 375, 376,
Taf. 79, Kat. 252, Taf. 53]. Insbesondere Vorhang und
Säule finden sich bereits im 16. Jahrhundert in der
höfischen Porträtmalerei Italiens und Flanderns und
dienen der Nobilitierung der im Porträt verewigten
Person.87 Gleichzeitig kann das Motiv der Säule
als Bedeutungsträger fungieren und für bestimm-

te Tugenden wie Standhaftigkeit, Stärke oder auch
Keuschheit stehen.88
Insgesamt fällt auf, dass es sich bei den Symbolen
und Attributen der untersuchten Porträts um eine be-
grenzte, wenig variable Auswahl handelt. Im weites-
ten Sinne gehören hierzu auch die im ersten Drittel
des Jahrhunderts noch häufig auf die Leerstellen der
Bildfläche gemalten oder auch als an der Wand hän-
gend dargestellten Familienwappen [Kat. 204-205,
Taf. 43, Kat. 356, Taf. 77]. Die Kopplung von Bild-
nis und Wappen wurzelt in der Darstellungstradition
fürstlicher Stammbaumporträts.89 Das Wappen ver-
weist auf die Abstammung und familiäre Zugehörig-
keit des Dargestellten und fungiert - als ehemaliges
Zeichen adliger Legitimation - im bürgerlichen Por-
trät auch als Statussymbol. In vielen Fällen gibt ein
Wappen Aufschluss über die Identität der auf einem
Bildnis dargestellten Person. Zu ihrer Identifizierung
kann darüber hinaus auch eine zusätzlich oder alleine
im Hintergrund angebrachte Inschrift dienen, die den
Namen des Porträtierten und/oder sein Alter nennt.
Inschriften kommen auf den Bildnissen von Frans
Hals, aber auch anderer in den zwanziger Jahren täti-
ger Porträtmaler ebenso wie Wappen wiederholt vor.
Von besonderer Bedeutung für den zu führenden
Vergleich von Porträt und Tronie ist die Frage nach
Art und Verwendung der künstlerischen Mittel. Ge-
meint sind vor allem Farbauftrag und Pinselführung,
aber auch der Umgang mit Licht und Schatten. Die
meisten Porträtmaler bedienten sich einer glatten,
sehr sorgfältigen und detailreichen Malweise. Para-
debeispiele hierfür sind die Porträts van Mierevelds,
van Ravesteyns, Moreelses und Pickenoys. In Miere-
velds Porträt einer Frau von 1628 (London, Wallace
Collection) [Kat. 344, Taf. 73] oder Moreelses Por-
trät eines Mitglieds der Familie Strick (Dirck Strick ?)
(Allentown Art Museum) [Kat. 356, Taf. 77] etwa
wird der Pinselduktus des Künstlers zugunsten einer
glatten, geschlossenen Bildoberfläche, in der keiner-
lei Arbeitsspuren sichtbar sind, unterdrückt. Ganz
anders stellt sich demgegenüber der Umgang mit der

82 Zur Symbolik in Porträts vgl. Smith 1982, S. 57-89; Jongh
1986, 32-50; Jongh 1993a, S. 67-69; sowie die folgende
Anm.
83 Vgl. Smith 1982, S. 72-89; Mortier 1984; Adams 1985, S.
304f.; Kat. Washington / London / Haarlem 1989/90,
S. 282. Zur Bedeutung von Taschentüchern in weiblichen
Porträts vgl. Kat. Haarlem 1986, Kat. Nr. 15, S. 110-112;
Dickey 1995; Winkel 2001, S. 60f.
84 Kat. Haarlem / Worcester 1993, Kat. Nr. 18, S. 230.

85 Smith 1982, S. 61,63, 85.
86 Bruyn 1991, S. 250f., 255.
87 Vgl. Adams 1985, S. 215,304; Woodall 1990, S. 35; Woodall
1997, S. 79.
88 Vgl. Mander / Miedema 1973, Bd. 1, S. 115 (fol. 12r), Str. 6,
Bd. 2, S. 451, Nr. IV 6a; Jongh 1975/76, S. 90; Jongh 1981/82,
S. 155-157; Raupp 1984, S. 102.
89 Vgl. Kat. Haarlem 1986, Kat. Nr. 22, S. 134; Dudok van
Heel 2002/03, S. 59-61.
 
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