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Hirschfelder, Dagmar
Tronie und Porträt in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts — Berlin: Mann, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.47555#0152

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140

Verbreitung und Formen der Tronie

Salomon Köninck
Neben den Schülern Rembrandts produzierten auch
andere Meister Tronien, die sich motivisch und sti-
listisch eng an Werke Rembrandts anlehnen. Ein an-
schauliches Beispiel hierfür bieten die Tronien des
Amsterdamer Malers Salomon Köninck (1609-1656),
dessen Werk insgesamt stark von Rembrandt beein-
flusst ist, obwohl er nicht sein Schüler war.169
Köninck schuf ab der zweiten Hälfte der drei-
ßiger Jahre rembrandtesk beleuchtete Brustbilder,
Halb- und Dreiviertelfiguren von Greisen und
Greisinnen in Phantasietracht [vgl. Kat. 257, Kat.
261-264, Taf. 55-56, Kat. 265].170 Hierfür verwandte
er in der Regel Figurentypen, mit denen er sich be-
reits ab Mitte der dreißiger Jahre in größeren Kom-
positionen beschäftigt hatte. Letztere zeigen lesende
oder federschneidende Gelehrte und Geld zählende
oder wiegende Greise und Greisinnen im Interieur
[Kat. 255, Taf. 54]. Die männlichen Figuren tragen
in der Regel einen üppigen Bart und erscheinen in
reicher Phantasietracht - meist mit Barett, Goldket-
te, weitem Samtmantel und einem bauschigen oder
spitzenbesetzten weißen Hemd darunter. Da Kö-
nincks Tronien alter Männer diesem Typus folgen
[Kat. 261-264, Taf. 55-56] und später entstanden als
die ersten Interieurdarstellungen mit entsprechend
aussehenden Greisen,171 können sie als Resultat ei-
ner Reduktion bzw. der Isolierung einer Figur aus
einem größeren Bildzusammenhang verstanden wer-
den: Der Maler verzichtete dabei auf die ausführliche
Schilderung von Beiwerk, umgebender Architektur
und die Angabe einer bestimmten Tätigkeit des Dar-
gestellten. Den Anstoß für dieses Vorgehen gaben
zweifellos die Tronien Rembrandts und seines Um-
kreises, in denen der Typus des reich kostümierten

Greises vor neutralem Bildhintergrund bereits vor-
geprägt war.
Einige von Köninck um 1650 gemalte, auf eine
Fensterbrüstung oder Balustrade gestützte Grei-
se mit Barett und schwarzem Samtmantel könnte
man für Porträts halten, würden nicht der an die
Genrebilder des Malers angelehnte Figurentyp und
in manchen Fällen das dargestellte Modell dagegen
sprechen.172 173 So zeigen z.B. zwei Bilder in Den Haag
(Rijksdienst Beeidende Kunst) [Kat. 263, Taf. 56]
und Brüssel (Musee des Beaux-Art) [Kat. 264, Taf.
56] denselben bärtigen Greis. Zweifellos waren die
Bilder als Tronien intendiert und wurden als solche
verkauft.
1.4 Die Bedeutung der Tronie für die
Lehrlingsausbildung in Rembrandts
Werkstatt
Wie wir sahen, beschäftigten sich viele Schüler Rem-
brandts schon zu Beginn ihrer künstlerischen Lauf-
bahn intensiv mit Tronien. Dies gilt beispielsweise
für Govaert Flinck, und Samuel van Hoogstraten.
Aus den jeweils ersten beiden Schaffensjahren, in de-
nen die Maler eigene Werke signierten, sind neben ei-
nigen Bildnissen überwiegend Tronien, jedoch kaum
andere Sujets erhalten.1 3 Die frühzeitige Auseinan-
dersetzung der Schüler Rembrandts mit dem Bild-
typ der Tronie wirft die Frage auf, welche Rolle die
Werke im Kontext der Ausbildung und Gesellenzeit
junger Maler bei Rembrandt spielten und in welche
Funktionszusammenhänge die Herstellung von Tro-
nien in der Werkstatt des Meisters eingebettet war.
Da ich mich in einem jüngst erschienenen Aufsatz

169 Turner 2000, S. 18lf. Zum Einfluss Rembrandts auf S. Kö-
ninck vgl. Sumowski 1983-1994, Bd. 3, S. 1627-1631; ders.
1992, S. 41f.
170 Zu den Tronien Könincks vgl. Sumowski 1983-1994, Bd. 3,
Kat. Nr. 122, 1126, 1127-1131, Bd. 5, Kat. Nr. 2117, Bd. 6,
Kat. Nr. 2346; Kat. Dresden 1992, Kat. Nr. 1589A, S. 249.
Vgl. auch Könincks Brustbild einer alten Frau mit Barett,
o.M., bez.: R 165(F), unbekannter Besitz (ehemals Kunst-
handel W. Paech, Amsterdam 1939), Foto RKD, Den Haag;
und seinen Greis in rotem Mantel, Leinwand, 78 x 80 cm, un-
bekannter Besitz (Versteigerung Stockholm, 19.5.1998, Nr.
1453), Foto RKD, Den Haag.
171 Ein Alter Geldzähler in Kopenhagen (Statens Museum for
Kunst) [Kat. 255, Taf. 54] ist 1635 datiert.
172 Vgl. Sumowski 1983-1994, Bd. 3, Kat. Nr. 1128-1130.
173 Für Flincks erhaltene Tronien aus den Jahren 1636/37 vgl.

oben, Kap. III.1.3, S. 133, Anm. 114, für seine Bildnisse die-
ser Zeit vgl. Sumowski 1983-1994, Bd. 2, Kat. Nr. 685-687.
Aus den Jahren 1636/37 ist nur eine signierte und datierte
Historie Flincks erhalten, Sumowski 1983-1994, Bd. 2, Kat.
Nr. 612. Für Flinck zugeschriebene Historien, die von der
Forschung um 1636 oder 1637 datiert werden, vgl. Molt-
ke 1965, S. 14 u. Kat. Nr. 47; Sumowski 1983-1994, Bd. 2,
Kat. Nr. 611, 613. Für van Hoogstratens erhaltene Tronien
aus den Jahren 1644/45 vgl. Sumowski 1983-1994, Bd. 2,
Kat. Nr. 843-848, 850, 851. Für andere Sujets vgl. Sumowski
1983—1994, Bd. 2, Kat. Nr. 849, 858, 879. Zu van Hoogstra-
tens Werken von 1644/45 vgl. außerdem Roscam Abbing
1993, Kat. Nr. 1-4; Brusati 1995, Kat. Nr. 1, 2, 3, 9, 10, Al,
A6. Brusati nimmt meist keine Datierungen vor. Außerdem
schreibt sie folgende Werke nicht Floogstraten zu: Sum. 845,
846, 848, 850.
 
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