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Hirschfelder, Dagmar
Tronie und Porträt in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts — Berlin: Mann, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.47555#0269

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Der Einfluss der Porträtmalerei auf den Bildtyp Tronie

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dition wurde in der Renaissance wiederbelebt und
auch im 17. Jahrhundert fortgeführt, indem Könige
und Fürsten Goldketten als Ehrenabzeichen an ver-
dienstvolle Personen verliehen, zu denen unter ande-
rem Heerführer, Diplomaten, Gelehrte, Dichter und
Maler zählten.5 6 7 So sind beispielsweise in van Dycks
bekannter Porträtserie, der Iconographief einige der
Gelehrten, Künstler und Kunstliebhaber mit Ehren-
ketten ausgestattet [Kat. 127, Taf. 25]/
Zwar stimmen die oft zusätzlich mit Juwelen
verzierten Goldketten von Tronien nicht im Detail
mit den Ketten der Dargestellten auf Porträts über-
ein. Dies entspricht jedoch zum einen dem fiktiven
Gehalt der Tronien, die ja auch keine zeitgenössische
Tracht tragen. Zum anderen erinnern die Anhänger,
welche die Goldketten von Tronien gelegentlich zie-
ren [Kat. 398, Taf. 84, Kat. 402, Taf. IX, 85, Kat. 486,
Taf. 103], durchaus an die Porträtmedaillen der auf
Bildnissen getragenen Ehrenketten [Kat. 127, Taf.
25].8
Zeigt das Tragen einer Goldkette in der Porträt-
malerei an, dass es sich bei einem Dargestellten um
eine besonders verdienstvolle oder ranghohe Per-
sönlichkeit handelt, so impliziert dies zugleich deren
Bildniswürdigkeit. Denn Letztere hing nach zeitge-
nössischer Vorstellung unmittelbar von Würde und
Rang sowie den Leistungen und Tugenden einer
Person ab.9 Schon in der italienischen Kunsttheorie
des 16. Jahrhunderts wird wiederholt gefordert, die
Darstellung im Bildnis müsse ein Privileg hochste-
hender Persönlichkeiten bleiben, damit der Vorbild-
charakter von Porträts gewahrt werde.10 Auch der
spanische Theoretiker Francisco de Hollanda billigte

in seinem Malereitraktat De la pintura antiga (1548)
nur bestimmten Personen die Ehre der Verewigung
im Bildnis zu:
»Ich sage, [...] dass es allein die berühmten Fürsten und Könige
oder Herrscher verdienen, gemalt zu werden, auf dass ihre Bil-
der und ihr Antlitz den künftigen Zeiten und Epochen in guter
Erinnerung bleiben, [...] eine erlauchte und berühmte Fürstin
oder Königin, die durch ihre Tugend und ihr Können würdig ist,
den Nachkommen bekannt zu sein. Zu diesen gehört auch jegli-
cher Mann, berühmt durch sein Kriegshandwerk, seine Zeichen-
kunst, seine Dichtkunst oder berühmt durch seinen einzigartigen
Großmut oder seine Tugend, und nicht irgendein beliebiger
Mensch.«11
Noch Gerard de Lairesse befürwortet die Herstel-
lung von Porträts angesehener Persönlichkeiten,
insbesondere Adliger, Feldherrn und Offiziere, wäh-
rend er die Gewohnheit einfacher Bürger, bei jeder
sich bietenden Gelegenheit ein Bildnis in Auftrag zu
geben, als eitles Streben kritisiert.12
Die Goldketten, die viele männliche Tronien tra-
gen, deuten darauf hin, dass die Gemälde als Dar-
stellungen imaginärer Persönlichkeiten konzipiert
waren, die es nach damaligem Verständnis in beson-
derer Weise verdienten, gemalt zu werden. Diese
Annahme wird durch weitere Motive bestätigt. So
besitzt z.B. die Ausstattung von Tronien mit Hals-
berge, Helm, Harnisch und/oder Schwert [Kat. 42,
Taf. 7, Kat. 59, Taf. 11, Kat. 94, 96, Taf. 18, Kat. 268,
Taf. 56, Kat. 350, Taf. 75, Kat. 381, Taf. IV, 80, Kat.
402, Taf. IX, 85, Kat. 492, Taf. 103] eine Parallele in
der zeitgenössischen Porträtmalerei: In ganz Euro-
pa ließen sich im 17. Jahrhundert Könige, Fürsten
und andere Adlige in Rüstung darstellen [Kat. 340,

5 Vgl. Filipczak 1987, S. 99-101; Alpers 1988, S. 177; Kat.
Washington / London / Haarlem 1989/90, Kat. Nr. 44, S.
258; Chapman 1990, S. 50-52.
6 Zu van Dycks Iconographie vgl. u. a. Raupp 1984, S. 45-163;
Mauquoy-Hendrickx 1991, 2 Bde.; Luijten 1999/2000;
Turner 2002, 2 Bde.
7 Vgl. auch Pieter de Jode nach Anthonis van Dyck, Paulus
van Halemale (Senator von Anwerpen, Magistrat, Kunst-
kenner), Kupferstich, 24,9 x 17,2 cm, Turner 2002, Bd. 1,
Kat. Nr. 37; Pieter de Jode nach Anthonis van Dyck, Bildnis
des Theodore van Tulden (Jurist und Professor an der Uni-
versität Leiden), Kupferstich, 27,5 x 17,5 cm, Turner 2002,
Bd. 1, Kat. Nr. 46.
8 Für Bildnisse, auf denen der Dargestellte eine entsprechende
Kette trägt, vgl. z. B. Barnes et al. 2004, Kat. Nr. IV.9, IV.49,
IV.51. Van Mander berichtet, dass der Herzog von Bayern
Hendrik Goltzius mit »een gouden keten / met daer aen een
gouden schoon Medaghe / waer in staet des Hertoghen Con-

terfeytsel oft tronie« ehrte, Mander / Miedema 1994-1999,
Bd. 1, S. 399 (fol. 285r, Z. 3f.). Auch Hoogstraten 1978, S.
356, behandelt die Verleihung von Goldketten durch Könige
und Kaiser als besondere Ehrung von Malern.
9 Vgl. oben, Kap. II.2.2, S. 83f.
10 Vgl. Raupp 1984, S. 91f.; Marschke 1998, S. 29-49; Pelc
2002, S. 62f., Larsson 2001, S. 121.
11 »Digo [...] que solamente los claros Prmcipes y Reyes o Em-
peratores merecen ser pintados y que queden sus imägines y
figuras en su buena memoria a los futuros tiempos y edades
[...] una illustre y clara Princesa o Reina que por su virtud y
saber es digna de ser conocida de los venideros. Y tambien
tiene entre estos lugar cualquier hombre famoso en armas, o
en debujo, o en letras, o en singulär liberalidad, o virtud y no
algün otro cualquier hombre.« Zit. u. übers, nach Marschke
1998, S. 33f. Vgl. auch Woodall 1990, S. 34; Woodall 1997,
S. 76-78.
12 Lairesse 1740, Bd. 2, S. 7f.
 
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