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Hirschfelder, Dagmar
Tronie und Porträt in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts — Berlin: Mann, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.47555#0271

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Der Einfluss der Porträtmalerei auf den Bildtyp Tronie

251

mit einem auffällig großen Perlohrring.17 Einen
ebensolchen trägt Christian IV. (1577-1648), Kö-
nig von Dänemark, auf einem 1625 datierten Stich
von Jan Muller nach Pieter Isaacz. [Kat. 359, Abb. 38].
Darüber hinaus ist festzustellen, dass das Tragen von
Ohrringen in einigen europäischen Ländern beim
männlichen Adel bereits in der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts verbreitet war. Für England belegen
dies nicht nur erhaltene Bildnisse,18 sondern auch eine
Passage in William Harrisons Description of England
(London 1587): »Some lusty courtiers also and gentle-
men of courage do wear either rings of gold, stones,
or pearl in their ears, whereby they imagine the work-
manship of God not to be a little amended. But herein
they rather disgrace than adorn their persons [,..].«19
Mit »gentlemen of courage« meint Harrison vermut-
lich Mitglieder des Militärs, bei denen es sich freilich
häufig ebenso um Adlige handelt wie bei den Höf-
lingen, die der Autor erwähnt. Dass Ohrringe im 16.
Jahrhundert auch beim männlichen Adel Frankreichs
gefragt waren, belegen Bildnisse Frangois Clouets
und seines Umkreises [Kat. 79, Abb. 39].20 Darüber
hinaus verdeutlicht Johann Wierix’ Kupferstich des
französischen Königs Heinrich III. (1551-1589) [Kat.
543],21 dass Herrscherdarstellungen, auf denen der
Porträtierte mit Ohrring erscheint, auch im Medium
der Druckgraphik Verbreitung fanden. Zu erwähnen
bleibt schließlich, dass die besagte Mode im 16. Jahr-
hundert auch in den Nördlichen Niederlanden offen-
bar nicht unbekannt war: So ist z. B. der in Noordwijk
geborene Edelmann Janus Douza (1545-1604), Herr
von Noordwijk und Kattendijke, auf einem 1568 von
Philips Galle gestochenen Bildnis mit einem Perlohr-
ring geschmückt [Kat. 159, Abb. 40].22 Zudem zeigen
zwei von Hendrick Goltzius in den 1580er Jahren


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Abb. 40 Philips Galle, Janus Douza (1545-1604), Herr von
Noordwijk und Kattendijke, Kupferstich, 1568 [Kat. 159]

angefertigte Stiche Fahnenträger mit Perlohrringen.23
Zwar lässt sich nicht bestimmen, welchem Stand etwa
der Fahnenschwinger auf Goltzius’ Stich von 1685
[Kat. 179, Abb. 41] angehörte,24 doch hatte ein Fähn-

17 Vgl. z.B. Anthonis van Dyck, Charles I. (1600-1649) in drei
Ansichten, London, Royal Collection [Kat. 123], Vgl. auch
Barnes et al. 2004, Kat. Nr. IV.48., IV.50, IV.51, IV.58. Für
ein weiteres Beispiel eines mit Perlohrring geschmückten
englischen Adligen aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhun-
derts vgl. Reynolds 1951, Abb. 32, S. 179. Als Beispiel für
ein männliches Bildnis mit Goldohrring vgl. Lucas Vorster-
man I. nach Daniel Mytens, 'William Herbert, 3rd Earl of
Pembroke, Kupferstich, 42 x 31,3 cm, Hollstein’s Dutch
and Flemish Etchings 1949ff., Bd. 43 (1993), Kat. Nr.
195.
18 Vgl. z.B. Ashelford 1983, Kat. Nr. 119.
19 Harrison / Edelen 1968, S. 147. Für diesen Hinweis danke
ich Frau Dr. Marieke de Winkel (Nijmegen).
20 Für weitere Beispiele Frangois Clouets und seines Umkreises
vgl. Jollet 1997, Abb. S. 217, 218, 220, 246, 248, 281. Für
weitere Porträts französischer Adliger, auf denen die Darge¬

stellten mit Ohrring erscheinen, vgl. Blum 1951, Abb. 50, S.
112; Filedt Kok / Leesberg 2000, Bd. 2, Kat. Nr. 248.
21 Vgl. auch Hollstein’s Dutch and Flemish Etchings
1949ff., Bd. 67 (2004), Kat. Nr. 2093, S. 254f.
22 Es ist belegt, dass Douza sich in der ersten Hälfte der sech-
ziger Jahre in Paris aufhielt. Zur Biographie Douzas vgl.
BAB 1992-1994, Mikrofiche Nr. 196, S. 154-198.
23 Vgl. Strauss 1977, Bd. 1, Kat. Nr. 215, Bd. 2, Kat. Nr. 253.
Zu den beiden Stichen vgl. auch Kat. Amsterdam 1993/94,
Kat. Nr. 15, S. 348f.; Kat. Hamburg 2002, Kat. Nr. 18, 19,
S. 78-81, dort auch weitere Literatur. Für Fahnenträger mit
Ohrring, die Jacques de Gheyns II. nach Goltzius stach, vgl.
Filedt Kok / Leesberg 2000, Kat. Nr. 179,188.
24 Tendenziell rekrutierten sich Fähnriche im 16. Jahrhundert
aus dem Patriziat oder dem Adel, Baumann 1994, S. 97. Für
entsprechende Hinweise danke ich Herrn Dr. Reinhard Bau-
mann (München).
 
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