Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hirschfelder, Dagmar
Tronie und Porträt in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts — Berlin: Mann, 2008

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47555#0272

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
252

Die wechselseitige Beeinflussung von Porträt und Tronie


Abb. 41 Hendrick Goltzius, Fahnenschwinger, Kupferstich,
1585 [Kat. 179]
rieh in der Kompanie (im Fähnlein) eines der drei
obersten Befehlsämter inne und bekleidete somit ei-
nen hohen militärischen Rang.25 Die kostbare Klei-
dung des Dargestellten unterstreicht diesen Status.
Aus den getroffenen Beobachtungen ist zu fol-
gern, dass die Niederländer Ohrringe männlicher
Tronien im 17. Jahrhundert nicht nur als altmodische
und/oder fremdländische Elemente wahrnahmen,
sondern auch als Schmuck, der (besonders in der
Vergangenheit) von Adligen oder zumindest rang-
hohen bzw. (militärisch) verdienstvollen Persönlich-
keiten getragen wurde, - wenn auch die Passage bei
Harrison darauf hindeutet, dass ein entsprechendes
Herausputzen der betreffenden Personen negativ be-

urteilt werden konnte. Die Tatsache, dass auch Orien-
talen gelegentlich mit Ohrringen dargestellt sind,26
ist für die Deutung von Tronien in einer vornehm-
lich als historisierend zu charakterisierenden Tracht
(ohne Turban) weniger von Belang.
Ein weiteres auffälliges Element der Kostüme von
Tronien besteht in dem oft mit kleinen Quasten ver-
sehenen Litzenbesatz, der z. B. die Kleidung des Jun-
gen mit rotem Barett [Kat. 477, Taf. 101] und Flincks
Brustbild eines Jungen Mannes mit Federbarett und
Juwelenschmuck (St. Petersburg, Eremitage) [Kat.
136, Taf. 29] ziert. Solcherart zu schließende Mäntel
gehörten im 17. Jahrhundert zur ungarischen, pol-
nischen und russischen Tracht, sind aber ebenso Be-
standteil orientalischer Kleidung.27 Als Vergleich von
Interesse sind in diesem Zusammenhang die Reiter-
bzw. Jagdporträts des Dordrechter Malers Aelbert
Cuyp, der seine Auftraggeber vielfach in ungarischen
Kostümen darstellte.28 So tragen z.B. Michiel und
Cornelis Pompe van Meerdervoort auf einem Porträt
mit ihrem Tutor (New York, Metropolitan Museum
of Art) [Kat. 85, Abb. 42] so genannte ungarische
dolmans, die auf der Brust mit mehreren Reihen
goldener, mit Knöpfen verschließbarer Querlitzen
ausgestattet sind.29 Die Pompe van Meerdervoorts
gehörten einer wohlhabenden Dordrechter Fami-
lie an.30 Ihre Darstellung als berittene Jäger musste
beim zeitgenössischen Betrachter die unmittelbare
Assoziation mit der Lebenssphäre des hohen Adels
hervorrufen, da die Jagd zu Pferd ein Privileg des
Statthalters und seines Hofes war.31 Alan Chong zu-
folge bezeugt Cuyps Bild »the Pompe van Meerder-
voort family’s claim to aristocratic hunting rights«32
und damit ihren Anspruch auf eine dem hohen Adel
vergleichbare gesellschaftliche Stellung. Die aus ver-
schiedenen, auch phantastischen Elementen zusam-
mengesetzte reiche Tracht der Dargestellten, zu der
auch der dolman mit Litzenbesatz gehört, wurde of-
fensichtlich als adäquates Mittel betrachtet, um den
elitären Status der Porträtierten zu unterstreichen.
Trugen die Figuren auf Tronien eine vergleichbare
Tracht, ist davon auszugehen, dass auch hier eine

25 Baumann 1994, S. 95-98.
26 Vgl. z.B. Erhard Schön nach Georg Pencz, Süleyman der
Große (1494-1566), Holzschnitt, 36,5 x26,3 cm, Hollstein’s
German Engravings 1954ff., Bd. 48 (2000), Kat. Nr. 174;
Wilson 2003, Fig. 5, 6, S. 41.
27 Vgl. oben, Kap. III.3.2, S. 211.
28 Allgemein zum CEuvre Aelbert Cuyps vgl. Reiss 1975; Kat.
Washington / London / Amsterdam 2001/02.

29 Zur Kostümierung der Dargestellten vgl. Gordenker 2001/02,
S. 53-57.
30 Chong 2001/02, S. 35f.; Kat. New York 2007, Bd. 1, Kat.
Nr. 33, S. 143-148.
31 Chong 2001/02, S. 36f.; Gordenker 2001/02, S. 56. Vgl.
auch Sullivan 1984, S. 33-45; Nierop 1993, S. 35f.
32 Chong 2001/02, S. 36. Vgl. auch Kat. New York 2007, Bd.
1, Kat. Nr. 33, S. 144.
 
Annotationen