Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hirschfelder, Dagmar
Tronie und Porträt in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts — Berlin: Mann, 2008

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47555#0301

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Der Einfluss des Bildtyps Tronie auf die Porträtmalerei

273


Abb. 50 Philips Köninck, Bildnis eines stehenden Herrn, 1656,
unbekannter Besitz [Kat. 253]


Abb. 51 Philips Köninck, Andries van der Goes (1620-1669) in
Phantasietracht, 1657, Privatbesitz [Kat. 254]

fahren des Dargestellten, was dessen Identifikation
ermöglicht.46 Van der Goes trägt einen weiten, mit
Goldbordüre verzierten Umhang und ein gefälteltes
weißes Hemd in der Art der Mode des 16. Jahrhun-
derts. Das Kostüm ist wesentlich summarischer und
in pastoserem Farbauftrag ausgeführt als die Klei-
dung der Dargestellten auf etwa gleichzeitigen Por-
träts des Malers. Dies wird beispielsweise anhand des
Vergleichs mit Könincks 1656 entstandenem Bildnis
eines stehenden Herrn (unbekannter Besitz) [Kat.
253, Abb. 50] deutlich. Interessanterweise bedient
sich der Meister für das Porträt des Andries van der
Goes der gleichen Komposition wie in dem Bildnis
von 1656: Zwei Drittel des Hintergrundes werden
von einer Wand eingenommen, vor welcher der Dar-

gestellte steht, rechts davon bietet eine oben von ei-
ner Draperie verhangene Öffnung den Ausblick in
eine Landschaft.
Noch Aert de Gelder dekoriert das Bildnis Ernst
de Beverens (1660-1722) (Amsterdam, Rijksmuseum)
[Kat. 164, Taf. XI, 34], der mit einem rembrandtesken
Phantasiekostüm bekleidet ist, sowie das Bildnis
eines Mannes in Phantasietracht (Paris, Louvre) [Kat.
160] im Hintergrund mit einer Säule und darüber
fallender Draperie.47 Zudem stützen sich die Dar-
gestellten auf einen Tisch bzw. eine Balustrade. Die
generell enge Bezugnahme de Gelders auf das Werk
seines Meisters Rembrandt lässt vermuten, dass er
sich auch mit den genannten Kostümporträts einer
Darstellungsmöglichkeit bediente, die zur Zeit von

46 Gerson 1936, Kat. Nr. 206, S. 123f., identifiziert den Dargestell-
ten als »Adriaan van der Goes, Herr van Naters en Pancras-
gors, Bürgermeister von Delft (gest. 1669)«. Tatsächlich muss
es sich jedoch um Andries van der Goes (1620-1669), den Sohn
Adriaen van der Goes’ (1581-1663) handeln, da Adriaen 1657
bereits 76 Jahre alt war. Vgl. Nederland’s patriciaat 1910ff.,
Bd. 40 (1954), S. 151; Nederland’s Adelsboek 1903ff., Bd. 83
(1993), S. 266f. Es ist davon auszugehen, dass Andries’ Vater sei¬

nen Adelstitel durch den Kauf der entsprechenden Ländereien
erwarb, da der Titel in einem Testament von 1649 noch nicht
auftaucht, sondern erst in einem notariell beglaubigten Doku-
ment der Witwe Adriaens aus dem Jahr 1664. Für diesen Hin-
weis danke ich Herrn Peter Hofland (Gemeentearchief Delft).
47 Für die Klassifizierung der Bilder als Porträts vgl. oben, Kap.
III.1.3, S. 139.
 
Annotationen