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Hirschfelder, Dagmar
Tronie und Porträt in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts — Berlin: Mann, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.47555#0331

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Der Einfluss des Bildtyps Tronie auf die Porträtmalerei

303


Abb. 63 Ferdinand Boi, Selbstbildnis mit Schriftrolle, Spring-
field/Mass., Museum of Fine Arts [Kat. 56]


Abb. 64 Anonymer Künstler, Eduard van Voorst (1638-1694),
1673, unbekannter Besitz [Kat. 5]

die so genannten virtuosi.2}l) Sie besaßen nach zeit-
genössischer Auffassung bestimmte Tugenden und
intellektuelle Fähigkeiten, es konnten z.B. Gelehrte,
Künstler und auch Kunstkenner sein.219 220 Laut Joanna
Woodall zeichnete sich ein virtuoso insbesondere durch
»a spezial expertise in or appreciation of works of art
and other objects of virtue«221 aus. Henry Peacham
setzt den Begriff des virtuoso in seinem The Com-
pleat Gentleman (Cambridge 1622) mit dem des
niederländischen >liefhebber< gleich,222 womit Lieb-
haber und Förderer der Künste bezeichnet wurden,
die darüber hinaus über besondere Kennerschaft
verfügten.223 Es wurde bereits dargelegt, dass die
Auftraggeber von Kostümporträts in Tronie-Manier

ihr Kunstverständnis bewiesen, indem sie sich auf er-
kennbare Weise von einem Historienmaler porträtie-
ren ließen. Auch hierin drückt sich somit implizit ihr
Anspruch auf >geistigen Adel< bzw. den Status eines
virtuoso aus.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang
die Tatsache, dass viele Kostümporträts männlicher
Auftraggeber Künstlerbildnissen in Phantasietracht
motivisch besonders nahe stehen. Dies gilt z.B. für
das Bildnis Adriaen Vroesens [Kat. 541, Taf. XXI],
das sich mit Flincks >Selbstbildnis< in Phantasietracht
(London, National Gallery) [Kat. 142, Taf. XX] ver-
gleichen lässt. Das von einem anonymen Künstler
geschaffene Kostümporträt des Utrechter Ratsherrn

219 Zum Konzept des Virtuosentums vgl. Raupp 1984, S. 72-90;
Woodall 2003. Der Untersuchung des Phänomens widmet
sich der im Jahr 2004 publizierte Band des NKJ: Jong ET AL.
2003.
220 Dem im Wort virtuoso enthaltenen Begriff der virtus bzw.
virtu eignet Raupp 1984, S. 72, zufolge sowohl »die Bedeutung
der Tugend im engeren ethischen Sinne als auch die Bedeutung
der rationalen menschlichen Fähigkeit und Tüchtigkeit.«
221 Woodall 2003, S. 7.

222 »Such as are skilled in them [antiquities], are by the Italians
termed Virtuosi, as if others that either neglect or despise
them, were idiots or rakehels. And to say truth, they are
somewhat to be excused, if they have all Leefhebbers (as the
Dutch call them) in so high estimation, for they themselves
are so great lovers of them that they purchase them at any
rate, and lay up mightie treasures of money in them.« Zit.
nach Atkins 2003, S. 295.
223 Atkins 2003, S. 295f. Vgl. auch Filipczak 1987, S. 69f.
 
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