Hoeck, Karl: Kreta: ein Versuch zur Aufhellung der Mythologie und Geschichte, der Religion und Verfassung dieser Insel, von den ältesten Zeiten bis auf die Römer-Herrschaft (Band 1) (Göttingen: Rosenbusch, 1823)

II. Zeus und die Kureten. 255

ums Ole Jahr hatte seinen Grund in alten religiös-
politischen , nach ennaeterischem Cyklus wieder-
kehrenden, Festen: weder jenes noch dieses be-
rechtigt zur Annahme von Mysterien in dem ge-
wöhnlichen Sinne dieses Wortes. Die Religion
des Zeus erscheint sreylich in minoischer Periode
schon geistiger gewandt. Wohl nicht erst im
homerischem Zeitalter sondern schon srüher war
der grosse Fortschritt im religiösen Denken und
Glauben geschehen, wodurch er vom Beherrscher
der physischen zum Urgründe der intellectuellen
Welt gehoben war. Die Religion Apollons —
ein Dienst der nicht aus den rauschenden Orgien
der Natur-Cultc hervorgegangen, — so wie die
der Demeter und des Dionysos — schon mehr
dem Ethischen sich nähernd und verwandt, —
hatte sich jetzt bereits an den Natur-Zeus ge-
schlossen und diesen Dienst selbst geistig gestei-
gert. Jetzt mochte allerdings sich Priesterwissen
vom Volksglauben sondern, und mithin Mysterien
möglich werden. Ja die ersten Anfänge dersel-
ben sind gewiss mit dem Erscheinen der cerea-
lischen und bakchischen Cidte auf Kreta, also
schon in der minoischen Periode zu suchen: aber
aus der obigen homerischen Stelle kann wenig-
stens der Beweis dasür nicht gezogen werden,
und ein Sclilnss daraus aus noch frühere Zeiten
würde durchaus unstatthast seyn, weil eben erst
durch dorische Einwanderer aus Hellas sich obi-
ger religiös-politische Brauch auf Kreta Endet.

p. 154 ed. Reisk. Maxim. Tyr. XXXVIII. p.
447. ed. Markt. und XII. p. 137.