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Hofstede de Groot, Cornelis
Beschreibendes und kritisches Verzeichnis der Werke der hervorragendsten holländischen Maler des XVII Jahrhunderts (Band 3): [Frans Hals, Adriaen van Ostade, Isack van Ostade, Adriaen Brouwer] — Esslingen, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.43144#0021
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Frans Hals.

Die Kunst des Frans Hals ist sehr schwer, mit Worten zu um-
schreiben, leichter dagegen, sein Stoffgebiet zu umgrenzen, das sich auf
Einzelporträts, Gruppenbilder und lebensgroße Genrefiguren beschränkt.
Letztere werden in wenigen Fällen auch zu Gruppen vereinigt. Es
herrscht die Meinung vor, daß Hals anfangs zaghafter und weniger
breit gemalt habe, als in seiner späten Zeit. Dies wäre natürlich, ist
sehr gut möglich, aber so im allgemeinen nicht zu beweisen, schon
deshalb nicht, weil wir, wie bereits oben hervorgehoben, vor dem
Jahre 1616, als Hals 36 Jahre alt war, nichts von ihm besitzen.
Vergegenwärtigen wir uns, daß Rembrandt in diesem Alter stand,
als er die Nachtwache malte, und setzen wir den Fall, wir besäßen
keine Kunde von den rund 250 Bildern, die er damals schon gemalt
hatte. Wie würden wir da über seinen Entwicklungsgang urteilen
können ? Das erste Werk von Frans Hals, das erste Haarlemer
Schützenstück, ist bereits ein Meisterwerk, das alles übertrifft, was
bis dahin in Holland in dieser Richtung geleistet war. Es ist nicht
der erste Versuch eines Jünglings, es ist die Tat eines Mannes, der
wie Correggio sagen darf: anch’ io sono pittore.
Was dem Meister weiter sein ganzes Leben eigen bleibt, ist die
breite flüssige Malweise und das unvermittelte Nebeneinandersetzen
der verschiedenen Farben, die er, was nach Houbrakens Erzählung
A. v. Dyck bereits beobachtet hatte, in einem Zuge und sofort an
richtiger Stelle hinstrich. Was sich im Laufe der Jahre in seinem
Stil ändert, ist das Kolorit: solche farbenprächtige Kompositionen wie
seine ersten Schützenbilder, sein Gruppenbild der Sammlung Altman
(Nr. 141) und manche Einzelporträtshat die spätere Zeit (etwa nach 1640)
nicht mehr aufzuweisen. Zum Teil liegt dies daran, daß sich die
Mode änderte; Schwarz wurde sowohl für Männer, wie für Frauen
im Kostüm die vorherrschende Farbe. Aber des Meisters Geschmack
ändert sich auch. Bilder wie das Haarlemer Schützenstück von 1639
und das Amsterdamer vom Jahre 1637, die ebenso reich im Kolorit
sein könnten, wie die früheren, sind es nicht mehr. Es macht sich
in ihnen ein Streben nach Tonmalerei bemerkbar, wovon ein feiner
silbergrauer Ton das Resultat ist. Bald darauf zeigt sich auch ein
unverkennbarer, jedoch vorübergehender Einfluß von Rembrandts
geschlossenem Lichteinfall (Regentenstück von 1641), und in der
darauffolgenden letzten Periode des Meisters herrscht ein schwärzlicher
Halbton in den Bildnissen vor. Hals ist inzwischen ausschließlich
Porträtmaler geworden, denn was wir von Genrefiguren von ihm
besitzen, stammt alles aus den zwanziger und dreißiger Jahren. In
dieser Zeit hatte er offenbar das Bedürfnis, sich ab und zu von der
ernsten Tätigkeit der Porträtmalerei zu erholen, durch Darstellung
der Volkstypen, denen er in den Straßen Haarlems begegnete: Fi-
scherknaben und Mädchen, Rommelpotspielern, alten Weibern und fah-
renden Musikanten. Vor allem aber waren ihm damals seine eigenen
Kinder beliebte Modelle. Er wurde nicht müde, ihre entzückenden,
gesunden, lebensfreudigen Köpfchen immer wieder auf’s neue auf das
Brett zu bringen. Einzelne davon, wie die beiden Rundbilder in
Schwerin, gehören zum Besten in ihrer Art. Im Allgemeinen liegt
in der Heiterkeit eine der Hauptstärken des Meisters; kein anderer
hat, wie er, das Lachen in seinen verschiedenen Stufen wiederzugeben
 
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