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Hofstede de Groot, Cornelis
Beschreibendes und kritisches Verzeichnis der Werke der hervorragendsten holländischen Maler des XVII Jahrhunderts (Band 3): [Frans Hals, Adriaen van Ostade, Isack van Ostade, Adriaen Brouwer] — Esslingen, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.43144#0604
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Adriaen Brouwer.

Hervorragend ist die Charakterschilderung Brouwers. Mit mög-
lichst wenig Mitteln weiß er seine Personen wiederzugeben. Zwar
hebt er mit Vorliebe die Schattenseiten des Lebens: Armut, Krankheit,
Spielsucht, Trunk, Zorn, Streit u. dergl. hervor, in deren Wiedergabe
er aber von niemanden übertroffen ist, vielleicht nur von Jan Steen
erreicht. Die Zeit, die er selbst in den Kneipen und Spelunken
durchbrachte, war für ihn keine Zeit reiner Muße. De Bie erzählt es,
und die noch existierenden Zeichnungen beweisen es, daß er die
Kneipgesellschaft mit der Feder abzeichnete, um mit dem Erlös dieser
Skizzen seine eigene Zeche zu bezahlen. Und nicht nur die Zeich-
nungen, sondern auch die Gemälde machen einen derartigen Eindruck
von Naturwahrheit, daß man glauben sollte, sie seien an Ort und
Stelle entworfen und gemalt. Die Gestalten seiner Bilder kommen
dem Beschauer nicht wie Modelle, sondern wie Porträts vor; man
glaubt, die Zeitgenossen hätten jeden einzelnen unter den Stamm-
gästen der Tavernen wieder herausfinden müssen. Die bis ins
unendliche sich wiederholenden Typen eines Teniers und Ostade
sucht man bei Brouwer vergeblich. Auffallend ist Brouwers Ver-
nachlässigung des weiblichen Geschlechts. Die meisten seiner Bilder
enthalten ausschließlich oder hauptsächlich Männer; die wenigen
weiblichen Gestalten, die er malt, gehören zu den abstoßendsten
Exemplaren ihres Geschlechts. Der Verkehr zwischen den Ge-
schlechtern überschreitet öfters die durch den Anstand gebotene
Grenze.
In seinen Landschaften ist Brouwer seiner Zeit weit voraus.
Vor 1638, Brouwers Todesjahr, ist in den nördlichen Provinzen von
niemandem, in den südlichen nur von Rubens etwas geschaffen, was
seinen Werken gleichkommt. Leider sind dieselben wenig zahl-
und wenig umfangreich. Ihre atmosphärischen und koloristischen
Vorzüge werden erst wieder durch die besten Werke Ruisdaels er-
reicht. Obwohl ihre Motive eher der Haarlemer als der Antwerpener
Gegend entnommen zu sein scheinen, weist ihre flüssige, skizzenhafte
Malweise als Zeit des Entstehens, auf die letzten Lebensjahre des
Künstlers.
Sowohl Rubens wie Rembrandt schätzten Brouwer hoch und
besaßen zahlreiche Bilder seiner Hand. Ungewöhnlich hohe Preise
wurden bereits im siebzehnten Jahrhundert dafür bezahlt (vergl. z. B.
das bei unseren Nrn. 172 und 247 gesagte mit der Notiz bei Isack
van Ostade Nr. 343a). Auch die fürstlichen Sammlungen des XVIII.
Jahrhunderts (Düsseldorf, Dresden, Madrid) bemächtigten sich bald
der besten Schöpfungen des Meisters, der seit den grundlegenden
Studien Bodes auch im XIX. Jahrhundert wieder zu Ehren ge-
kommen ist.
 
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