Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Illustrierte Welt : vereinigt mit Buch für alle: ill. Familienzeitung — 22.1874

DOI Heft:
Heft 8
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.62248#0218
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2!0

Ilittst riete Welt.

Ein Diener trat ein. „Sagen Sie Herrn Inspektor
Lindenberg, daß ich ihn bitten lasse, einen Augenblick zu mir
hcrübcrzukommcn. Aber beeilen Sic sich, Franz."
Franz verneigte sich stumm uud mährend er sich nach der
einen Seite entfernte, trat von der entgegengesetzten eine Zofe
herein. Dieselbe hielt einen allerliebsten hellgrauen Filzhut
mit gleichfarbiger langer Feder in der Hand, Reitpeitsche und
Handschuhe.
„Warte hier, ich habe noch zu thun," rief die juuge Ge-
bieterin ihr zu, von Neuem ihre Wanderung durch das
Zimmer begiuuend, bis sie, mie ciuer raschen Eingebung
folgend, vor dem Mädchen anhielt mit der hastigen Frage:
„Weißt Du, wo Fräulein Schwarz ist uud womit sie sich be-
schäftigt?"
„Ich glaube, sie ist in ihrem Zimmer, gnädige Frau, und
— und packt ihre Sachen ein."
Tie Sprechende war offenbar durch die an sie gerichtete
Frage etwas in Verlegenheit gesetzt, und über das feine, blasse
Antlitz der Herrin flog bei letzterer eine plötzliche Nöthe.
„Hat sie darüber gesprochen, weßhalb sie ihre Sachen packt?"
setzte sie, gespannte Ungeduld in den Zügen, ihr Examen fort.
Das Mädchen zögerte einen Augenblick uud antwortete
daun noch immer unsicher: „Fräulein Schwarz hat gesagt,
daß sie noch heute von Charlottenhöhe abreisen wird."
„Uud der Grund, warum? Hat sie auch den Grund ge-
nannt, warum sie so plötzlich abrcist? Nasch, rasch, Emma,
antworte mir doch."
Die Zofe, welche durch einen ängstlichen Blick auf das
erregte Antlitz ihrer Herrin sich überzeugt haben mochte, daß
Zögern uud Verheimlichen ihre peinliche Lage nur noch schlim-
mer machen könne, erwicderte endlich, ohne weiter zu stocken:
„Sie sagte, daß sie sich hier doch nie glücklich fühlen werde,
daß es besser sei, je eher desto lieber fort zu gehen."
„Ich konnte es mir denken!" stieß die Dame zornig her-
vor. „Und nicht wahr, der Aufenthalt hier sei ganz unleid-
lich, sie vermöge ihn keinen Tag länger zu ertragen? sagt
sie das nicht?"
Emma schlug die Augen nieder.
„Siehst Du, Taute," — die juuge Dame waudte sich wieder
dun Lehnsessel zu, — „siehst Du, ich wußte es wohl. Meine
eigenen Leute möchte sie gegen mich aufhetzen. O, es ist
abscheulich!"
„Gnädige Frau," wagte Emma schüchtern zu bemerken,
„Fräulein Schwarz hat mich gebeten, ihr ein wenig zu helfen,
erlauben —"
„Tn unterstehst Dich nicht, noch irgend etwas für sie zu
thun," war die rasch und hastig gegebene Antwort. „Ich
verbiete Dir, überhaupt noch ihr Zimmer zu betreten. Ich
halte mein Kammermädchen für mich selbst und nicht für —"
„Gnädige Frau, Herr Inspektor Lindenberg ist da."
Es war Franz, der mit diesen Worten die Thüre öffnete,
in welcher die hohe Gestalt eines Mannes von etwa dreißig
Jahren erschien. Er war nicht schön. Seinen männlichen
uud ausdrucksvollen Zügen sah man es an, daß sein Leben
bis jetzt eben kein leichtes gewesen sein mochte; ja, sie ließen
ihn vielleicht ein wenig älter erscheinen, als er in Wirklichkeit
war; ein offener und ansprechender Ausdruck aber lag darauf,
uud der dichte blonde Bart, von dem sein Gesicht eingcrahmt
war, kleidete ihn gut. Er trug einen eleganten Sommeranzug
von Heller Farbe, hielt den Hut in der Hand und jetzt, da er
sich mit Anstand vor den Damen verbeugt, da er sich wieder
emporgerichtet und mit einem sekundenlangen, scharfen Blick
die Szene vor ihm umfaßt hatte, glitt ein wohlbcurerkbarcr
Zug von Befremden über sein Antlitz. Tb dieser der un-
gewöhnlichen Zeit galt, zu welcher man ihn gerufen, oder
der besonderen Aufregung, in welcher er die Herrin des
Hauses antraf? Letztere ließ ihm keine Zeit zu weiteren
Reflexionen.
„Herr Lindenberg," sagte sie rasch zn ihm hintrcteud, „ich
wünschte Ihnen mitzutheilen, daß Fräulein Schwarz heute
noch Charlottenhöhe verlassen wird, daß sie darin ihrem eige-
nen, deutlich ausgesprochenen Willen folgt und also auch
bedacht gewesen sein wird, für hinreichende Beförderungs-
mittel Sorge zu tragen. Ich bitte Lne, Notiz davon zn
nehmen, daß ich meine Pferde und Wagen, sowie meine
Leute in keiner Weise bei ihrer Abreise betheiligt zu sehen
wünsche."
Offenbares Erstaunen spiegelte sich bei Anhören dieser mit
Hast gesprochenen Worte in Herrn Lindeuberg's Zügen ab.
Die junge Dame, welche es bemerkte, nahm wieder das Wort:
„Nicht wahr, Sie wundern sich ebenfalls und werden meine
Aufregung begreiflich finden, wenn ich Ihnen erst mitgcthcilt
habe, wie rücksichtslos und undankbar die-die Person
sich gegen mich betragen hat."
„Gnädige Frau!"
War der Ton, halb erschrocken, halb vorwurfsvoll, in dem
die beiden Worte gesprochen wurden, oder der sie begleitende
Blick nach der Thüre, in welcher gerade neben Emma auch
Frauz wieder erschien, um zu melden, daß das Pferd der
gnädigen Frau bereit stehe, oder vielleicht Beides der Grund,
genug, eine dunkle Nöthe überflog die Stirne der Dame und
sie warf den Kopf zurück. „Ihr bleibt hier," herrschte sie
gleichsam als Antwort auf einen indirekt gemachten Vorwurf
den beiden dienenden Geistern, die geneigt schienen, sich be-
stürzt zurückzuziehen, mit gebieterischer Stimme zu. Es konnte
ihr auch nicht entgehen, daß die Thüre nach dem Vorzimmer,
wahrscheinlich auch die zweite nach dem Hausflur offen stand,
daß also ein Jeder, den der Zufall vorüberführte und der
Vergnügen daran fand, von der nicht leise geführten Unter-
haltung mit profitircn könnte.

„Ich hoffe, daß ich das Recht habe, im eigenen Hause
und vor wem es mir beliebt, meine Meinung aussprechcn
zu dürscu über gegen mich gerichtete Anklagen und Verleum-
dungen," fuhr sie hochaufathmend fort, „und ich werde und
will es thun."
Mit raschen Schritten, wie nur ihre Ruhe wieder zu ge-
winnen, durchmaß sie nochmals das Gemach.
„Sie wissen doch, Herr Lindenberg," sagte sie dann,
„warum die Schwarz nach Charlottenhöhe gekommen ist. Es
verlangte mich nach einer Gefährtin meines Alters. Ich
wünschte ein junges Mädchen um mich zu sehen, welches mir
Vorspielen, mir mitunter ein heiteres Lied singen, vorlesen,
mit einem Worte meine Unterhaltungen theilen könne. Ich
freute mich, da Fräulein Schwarz mir gut empfohlen war,
auf ihre Ankunft und — großer Gott, nie werde ich die
Enttäuschung vergessen, die ich empfand, als dieses trübselige
Geschöpf mit dem sentimentalen, melancholischen Wesen mir
entgegentrat."
Eine Bewegung durchzuckte Herrn Lindeuberg's hohe Ge-
stalt. Er öffnete wie unwillkürlich die Lippen zum Reden,
aber behauptete deunoch seine Selbstbeherrschung und schwieg.
Die Sprechende schien nichts bemerkt zu haben. „Da
wir bald zu der Ueberzeugung gelangen mußten, daß wir in
keiner Weise für einander paßten," fuhr sie fort, „beschlossen
wir, nach wenigen Wochen uns wieder zu treunen."
„Und ich würde es als ein Glück preisen, wenn dieser
Entschluß damals zur Ausführung gekommen wäre," ließ
sich hier vom Lehnsessel her die Stimme der Tante ver-
nehmen.
Die Gebieterin von Charlottenhöhe warf ihr einen un-
geduldigen Blick zu. Sie zuckte die Achseln und wendete
dann ihr Auge wie Zustimmuug erwartend nach dem jungen
Manne ihr gegenüber. Er jedoch hatte die seinigen gesenkt,
als müsse er das Muster des Teppichs zu seinen Füßen studi-
rcn, und seine Züge verriethen jetzt nur eisige Ruhe.
Ihre kleine, schlanke Hand ballte sich. „Sie wissen,"
nahm sie mit unterdrückter Heftigkeit wieder das Wort, „warum
jener Entschluß nicht zur Ausführung kam. Ihr Freund,
der Pastor Sommer, verhinderte dieselbe. Er, der durch seinen
ehemaligen Universitätsfreund, den Schwager der Schwarz,
brieflich dringend gebeten war, sich für die genannte Dame
bei mir zn verwenden. Er auch klärte mich darüber auf,
daß ihre Familie eine düstere Geschichte hat und daß —"
Die junge Frau wurde hier durch eine rasche Bewegung
des Inspektors unterbrochen. „O, gnädige Frau, ich bitte
Sie," sagte er mit einer Stimme, die sowohl Schreck als
Erregung verrieth.
Sie aber blitzte ihn an mit den dunkeln Augen und rief:
„Ich will reden. Ich will jetzt aussprechen, welche Ucber-
windung es mich damals kostete, eine Person in meiner Um-
gebung zu dulden, in deren Familie, wie ich erfahren, eine
erbliche Hinneigung zum Wahnsiun herrscht, uud doch that
ich es. Aus Mitleid that ich cs und auf die Bitten Ihres
Freundes, damit sie, einem ungewissen Schicksal entgegen-
gehend, nicht auch den unheimlichen Mächten verfallen möge.
Ich verlangte nichts von ihr; ich ließ sie nach Gefallen ihren
Weg wandeln und thun, was ihr beliebte. Ich denke, sie
konnte nirgends in der Welt ein besseres Leben führen, als
hier, und da tritt sie plötzlich diesen Morgen vor mich hin
und erklärt mir zu meinem maßlosen Erstaunen kühl und be-
stimmt, daß sie noch heute mein Hans zu verlassen wünsche,
und das soll mich nicht empören?"
Die Dame hatte, während sie sprach, ihr feines Batist-
tuch hervorgezogen, knitterte es zusammen und riß cs wieder
auseinander; sie fuhr damit über ihr vor Aufregung flam-
mendes Antlitz und knitterte es abermals zusammen, ohne
scheinbar zn wissen, was sie that. Hatte sie wohl eine Ant-
wort erwartet?
Die Tante, welche unter der Aufregung dieser Szene sehr
zu leiden schien, wehte sich lebhaft Kühlung zu und gab Emma
einen Wink, das Fenster zu schließen. Die Letztere in Ge-
meinschaft mit dem Diener hatte sich trotz des erhaltenen
kategorischen Befehles bis an die Thüre des Vorzimmers zurück-
gezogen. Beide waren indessen wohl bedacht gewesen, ihren
Platz derart zu nehmen, daß keine Miene, keine Sylbe der Haupt-
akteure dieser interessanten Szene ihnen entgehen konnte. Und
Herr Lindenberg? Zwischen seinen Augen hatte sich eine
tiefe Falte gebildet, die seinen Zügen etwas Strenges gab.
Mehr als ernst, finster sogar, blickte er auf die junge Fran,
die so schön, so auf der Sonuenhöhe des Lebens, jetzt der
Selbstbeherrschung beraubt, eine Beute zoruiger Erregung
vor ihm stand. „Habe ich nicht Recht," wandte sie sich jetzt
direkt an ihn, „empört zn sein, daß diese Person, anstatt mir
zn danken, mich durch ihre plötzliche Abreise kompromittiren,
mich anklagcn und verleumden wird?"
„Sind Sie gewiß, daß solches geschieht, gnädige Frau?"
„O ja, ich weiß es," war die Autwort. „Hat sie doch
schou bei meiner Dienerschaft den Anfang gemacht. Aber ich
habe ihr auch sehr unumwunden meine Meinung gesagt. Ich
will keine Schonung mehr walten lassen."
Sie schlug die dunkeln Augen zu ihm auf, als erwarte
sie ein Zeichen der Zustimmung, seine Haltung aber, obgleich
immer respektvoll, blieb reservirt und kühl.
Ungeduldig trat die Hallsherrin ihm näher. „Sie müssen
mir zugestchen, daß —"
Herr Lindenberg war plötzlich sehr blaß geworden. „Gnä-
dige Frau," unterbrach er sie, uud seine Stimme klang tief
und gepreßt. „Gnädige Frau, ich bitte Sie, in dieser ganzen
Angelegenheit kein Urthcil von mir zu verlangen."
Eine dunkle Blutwelle schoß ihr in's Antlitz. „Aber ich

bestehe durchaus darauf," rief sie hartnäckig, „daß Sie Ihre
Meinung aussprechen."
Er blickte sie ein paar Sekunden lang scharf an. „Sie
befehlen es, gnädige Frau?"
Die Gefragte athmetc tief auf. „Ich bitte entschieden
darum; uud," fuhr sie fort, einen Blick, den Herr Lindenberg
abermals nach der Thüre des Vorzimmers warf, gleichsam
durch ihre Worte beantwortend, „ich bitte Sie, ganz ohne
Rückhalt zu sprechen."
Der also Aufgefordcrte preßte die Lippen zusammen, aber
es war weiter keine Bewegung an ihm bemerkbar, nur daß
die Hand, in welcher er seinen Hut hielt, uumerklich zuckte.
Seiue Züge uahmen allmälig den Ausdruck fester, kalter
Entschlossenheit an. „Weil Sie es denn befehlen, gnädige
Fran," sagte er mit ruhiger, klarer Stimme, „so bin ich ge-
zwungen, Ihnen meine Ueberzeugung dahin auszusprechen,
daß ich es vollkommen gerechtfertigt halte, wenn Fräulein
Schwarz dieses Haus verläßt, in welchen: ihre Stellung nur
demüthigcud uud in keiner Weise befriedigend für sie sein
konnte."
„Ah!" Das schöne Gesicht von plötzlicher Leichenblässe
bedeckt, wie erstarrt und keines Wortes weiter mächtig, trat
die Dame einen Schritt zurück.
Die Taute, welche, der Uuterhaltuug nut wachsendem In-
teresse folgend, sich mehr und mehr emporgerichtet hatte,
stieß einen Schreckensruf aus, und eine unwillkürliche Be-
wegung im Vorzimmer ließ errathen, daß der Wunsch der
Gebieterin, dieß Alles vor dein Dienstpersonal erörtert zu
sehen, vollkommen erfüllt war.
Herr Lindenberg achtete auf das Alles gar nicht. „Daß
die Stellung der genannten Dame hier bald unhaltbar sein
würde," fuhr er fort, „die Ueberzeugung drängte sich mir
schon gestern ans, als ich sie, von Niemanden in der Gesell-
schaft beachtet, verlassen in einem Winkel des Saales er-
blickte."
Das bleiche Gesicht vor ihm schien wieder Leben zu ge-
winnen. Die Gebieterin von Charlottenhöhe zuckte empor und
ein dunkler Strahl traf ans ihren: Ange den rücksichtslosen
Sprecher. „Das war denn auch wohl das Thema, über
welches Sie sich gestern Abend nut Fräulein Schwarz unter-
hielten?" stieß sie hervor.
Eine leichte Nöthe zeigte sich auf des jungen Mannes
Stirne.
„Der Gegenstand unserer Unterhaltung," sagte er,, „war
ein vollkommen gleichgültiger, der zu der gegenwärtig ver-
handelten Angelegenheit in gar keiner Beziehung steht."
„Ich sollte also noch besondere Rücksicht auf sie nehmen,
Ihrer Meinung nach?"
„Nur die Rücksicht, gnädige Frau, welche man der Haus-
genossin, welche man dem Unglück schuldig ist. Wenn ein
trauriges Geschick das arme Mädchen schon ohne Verschulden
in ihrer Familie betroffen hat, welche lohnende Aufgabe hätte
ein edles weibliches Herz darin finden können, die Bedrückte
aufznrichten durch Freundlichkeit, durch das Anweisen einer
befriedigenden, nützlichen Thätigkeit; durch ein bisweilen ai:
sie gerichtetes ermuthigendes Wort. Es hätte wie milder
Sonnenschein dieß verkümmerte Dasein zu neuen: Lebensmuts)
auregcn und selbst dadurch die höchste Befriedigung gewinnen
können."
Schon während seiner letzten Worte hatte die junge Fran
das Haupt gesenkt, ungestüm ihr feines Batisttuch aufgcrollt
uud wieder auseinander gezupft; jetzt, da er schwieg, warf sie
'ihn: einen sprühenden Blick zn und dann, ohne eine Sylbe
zu erwiedern, ging sie langsam in das Nebenzimmer, dessen
Thüre sie hinter sich schloß. Man hörte, wie drinnen der
Schlüssel umgedreht wurde.
Die Tante, in ungewöhnlicher Aufregung, stand von:
Lehnsessel auf und wollte das Wort an Herrn Lindenberg
richten, aber er machte ihr in: selben Augenblick eine tiefe Ver-
beugung und schritt darauf, ohne sich noch umzusehcn, ohne
auf die Domestiken einen Blick zu werfen, durch das Vor-
zimmer und über den Hausflur. Als er in's Freie trat,
spielte der frische Windhauch, der von der See herüber wehte,
um seiue erhitzten Schläfe, aber er schien nichts davon zu
fühlen. Er ging den breiten, mit Kies bedeckten Weg ent-
lang bis zu einem Seitenflügel des stattlichen Herrenhauses,
in welchen: sich seine Wohnung befand.
Als Herr Lindenberg sein Zimmer erreicht, als er allein
war und keine ihn verfolgenden Blicke mehr zn fürchten hatte,
warf er seinen Hut auf den Tisch. Eine finstere Wolke lag
auf seiner Stirne, und als er zum offenen Fenster tretend
mit verschränkten Armen hinaus in die lachende Sommer-
landschaft blickte, da sagte er sich selber: „Siehe, Hugo, mein
Junge, oft hast du dich gefragt, was wird das Ende sein?
Jetzt weißt du es, Nachdem' du dich ein halbes Jahr lang
mit den: verzogenen Kinde dort oben abgcquält und ihre
Lannen ertragen hast; nachdem du öfter thörichterweise gehofft,
der Verstaub, den Gott der Herr ihr in hinreichendem Maße
zngetheilt hat, könne über diese Launen den Sieg davon tragen,
bist du jetzt einmal gezwungen worden, ihr die Wahrheit zn
sagen und — vorbei, vorbei ist Alles. Du kannst getrost den
Stab in die Hand nehmen und weiter wandern. Vorbei!"
Er fuhr mit der Hand über die Stirne, durch das dichte
blonde Haar und trat vom Fenster wieder zurück. Tie täg-
lichen Geschäfte des Lebens riefen ihn.
II.
Eine halbe Stunde, nachdem die oben angeführten Ereig-
nisse sich zugetragen, bestieg der Inspektor Hugo Lindenberg
 
Annotationen