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Aitbeilllinlilkeirsigster Jahrgang.

8. Lest.

Alnitgart. Htiprig. Drrlin. Hirn.

Justiz dev Seele.
Roman
von
Anion Areifierr von ^erfass.

Er
und
den
Er
und

4>*I^I as war eine wilde Jagd nach seinem Glück, diese
Reise Wladimirs von Paris nach Trepan. "
ließ Marciana nur einen Tag Vorsprung
schwelgte in dem Gedanken, ihr dicht auf
Fersen zu sein, ja vielleicht sie noch cinzuholcn.
durchforschte jeden kreuzenden Zug, jeden Bahnhof,
je näher er der Heimat kam, desto ungestümer wallte sein
Blut.
Ihm galt Marcianas geheime Reise nach Paris, das
war ihm klar, und wenn er an das rastlose Wühlen ihrer

Liebe zu ihm während dieser zwei Jahre der Verbannung
dachte, deren rückhaltloser, vulkanischer Ausbruch sie zu
diesem äußersten Schritt bewegte, hätte er aufjauchzen
mögen, der selbstsüchtige Mann. Auch er litt ja wie ein
Tier und suchte seinen sehnsuchtsvollen Schmerz zu ver-
winden, zu betäuben in einem Genußleben, das ihm nichts
weniger als Befriedigung gewährte. Zwei Jahre der
Qual um eine fixe Idee! Nichts anderes waren ihre
Gewissensbisse, ihre seelische Furcht vor einer unreinen,
verbrecherischen Liebe, die sic aufgescheucht von seiner
Brust, an die sie schon wonnetrunken gesunken -- nichts
anderes seine immer wiederkehrenden schwarzen Gedanken
über Minskys Tod, die auch ihn schaudern machten vor
der Hand der Witwe.
Marciana war geheilt, das bewies ihr Kommen, er
glaubte es auch zu sein. In dieser zweijährigen frei-
willigen Verbannung lag ja schon seine Rechtfertigung.
Hätte er mit einem Verbrechen sich belasten wollen, so
hätte er doch die Frucht desselben genossen. Marciana, dies

in Liebe aufgelöste Weib, hätte seinem langen Werben
nicht widerstehen können; — und warum hatte er sich doch
diese Verbannung auferlcgt? — Um den Schein zu meiden,
nur um die Stimme, die lügnerische, in seinem Innern
zum Schweigen zu bringen — das Echo der Stimme des
sterbenden Minsky. Waren zwei Jahre nicht zu kurz?
Mußte seine Rückkehr zu ihr sie nicht von neuem wieder
ertönen lassen? Er horchte mit grausamer Wollust auf
sie — und er vernahm sie nicht in seiner seligen Erwartung.
Er hob sie ja nicht freiwillig auf, auch ohne Marciana,
er mußte zurück. Er, ein Graf Torkler, dessen Vater bei
Ostrolcnka gefallen, der stets ein Hauptträgcr der revo-
lutionären Idee war, so lange er in Polen weilte, durfte
jetzt nicht fehlen in der Zeit der Not. Er schraubte sein
patriotisches Gefühl gewaltsam in die Höhe, so eindring-
lich ihm anch seine Vernunft sagte, daß ein neuer Auf-
stand das Verderben Polens nur für immer besiegeln
würde.
So wurde er, der strotzte vom Gefühle der Ehre, der

Kaiser Wilhelm II. in Wien: Tas Hofkonzert. Originalzeichnung unseres Spezialartisten Th. Breidwiser. (S. 183.)
Jllustr Welt. 1889. 8- 24
 
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