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Illustrirte Melt.

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die Kniee gestützt, unverwandten Blickes nach dem Piano hin,
„Ist das nicht hochelegant?" sragt er den Blonden, nachdem dieser
geendet. „Welches ist Ihre Ansicht?"
Der Professor stimmt ihm vollkommen bei, steckt acht Dollars
als Honorar in die Tasche und verspricht, das Arrangement für
das Piano und für acht Lrchesterinstrumente nächsten Mittag
um zwölf Uhr nach dem Theater zu senden.
„Ich bin der einzige in Amerika," erklärt der Professor, nach-
dem der Sänger fort ist, „der dieses Geschäft zur Spezialität
macht. Nur wenige Mimen der VariMbiihne sind im stände,
eine Note von der andern zu unterscheiden, aber sie haben oft
musikalische Ideen, dann kommen sie zu mir und ich arrangire
es ihnen so, wie Sie es mit ansahen. Eine lange Erfahrung
liegt hinter mir, ich habe meine Studien unter Gustav Schilling,
dem Direktor des Konservatoriums zu Stuttgart, gemacht und
1866 abfolvirt und bin von Karl Anschütz in der Harmonielehre
und von Karl Meycrhofer im Kontrapunkt unterwiesen worden.
Ich darf daher wohl behaupten, daß ich befähigt bin, für dieses
Fach der dramatischen Kunst die Musik zu besorgen."
„Und sind die Melodien, die Ihnen hier vorgetragen werden,
etwas wert? Besitzen sie eine gewisse Ursprünglichkeit?"
„Von irgendwelcher Originalität ist Wohl nicht die Rede, im
Gegenteil, sie klingen einander meist zum Verzweifeln ähnlich
oder sind nur Variationen bekannter Weisen. Das Dschingling-
ling des Tingeltangels!"

Der Turm zu Haket.
(Bild S. 470.»
„Es hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache. Da
nun die Söhne Noahs gegen Morgen zogen, fanden sie ein eben
Land im Lande Linear und wohneten daselbst. Und sie sprachen
unter einander: .Wohlauf, laßt uns Ziegel streichen und brennen !'
Und nahmen Ziegel zu Stein und Thon zu Kalk, und sprachen:
.Wohlauf, laßt uns eine Stadt und Turm bauen, dess' Spitze
bis an den Himmel reiche, daß wir uns einen Namen machen;
denn wir werden vielleicht zerstreuet in alle Länder!' Da fuhr
der Herr hernieder, daß er sähe die Stadt und den Turm, die
die Menschenkinder baueten. Und der Herr sprach: ,Siehe, es
ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen und
haben angefangen zu thun; sic werden nicht Massen von allem,
das sie vorgenommen haben zu thun. Wohlauf, laßt uns her-
niederfahren und ihre Sprache daselbst verwirren, daß keiner
des anderen Sprache vernehme!' Also zerstreuete sie der Herr
von dannen in alle Länder, daß sie mußten aufhören, die Stadt
zu bauen. Daher heißt ihr Name Babel, daß der Herr daselbst
verwirret hatte aller Länder Sprache und sie zerstreuet von
dannen in alle Länder."
So erzählt die Bibel im ersten Buche Mosis. Diese Erzäh-
lung, in welcher man drei verschiedene Momente zu berücksichtigen
hat, knüpft zuerst an ein uraltes historisches Faktum an, näm-
lich au die Erbauung der Stadt Babylon. In dem Turm von
Babe! ist der große Belustempel in Borsippa (Birs-Nimrud)
nicht zu verkennen. Das Gebäude bestand aus einem großen
Unterbau und sieben den Planeten geweihten Stufentürmen, von
denen jeder wahrscheinlich die planetarische Farbe batte, in der
Reihe der Wochentage, Saturn, Venus, Jupiter, Merkur, Mars,
Mond und Sonne. Dieses Stockwerk enthielt hoch oben den
Tempel des Nebvs, des Wächters der himmlischen Heerscharen.
Eine große Wendeltreppe führte um dm Turm, auf dessen Spitze
sich das Heiligtum des Gottes „Sin" befand. Wann der
Lprachenturm zerstört ward, sei es durch Menschenhand oder
himmlisches Feuer, was nicht unwahrscheinlich, ist nicht bekannt, zur
Zeit des Scptimius Severus (193—L11 n. Ehr.) scheint er noch
erhalten gewesen zu sein.
Das dritte Moment in der Sage, die etymologische Deutung
des Namens der Stadt Babel als „Verwirrung" ist sprachlich
nichts ganz zu rechtfertigen. Die Babylonier selbst, obgleich sie
die Sage von der Sprachverwirrung gekannt haben, erklären den
Namen ihrer Stadt durch „Thor Saturns" (6ab-el).

Das MrsMüieafkst in, Japan.
(Bild S. 475.)
Zu den mannigfaltigen, von froher, heiterer Lebcnsausfassung
Zeugenden Gebräuchen der Bewohner des ostasiatischen Kaiser-
reichs zählt auch das alljährlich wicderkehrende Kirschblütenfest,
st" den großen, weitläufigen Tempelgärten Japans finden sich
kormliche Kirfchbaumhaine. Dorthin wandelt am festlichen Tage
-^Menden das Volk in bunten Feiergcwändern, die Frauen
und Mädchen mit Kirschblütenzweigen, künstlichen oder natürlichen,
im Haare. Alles ist in gehobenster Stimmung und mit dem
^"ssatz zum Fest gekommen, sich recht gründlich zu amüsiren.
siuf dem weiten Plane haben unternehmende Wirte eine Art
niederer Plattformen errichtet und dieselben in zahlreiche Abtei-
ungcn für je vier Personen geschieden; bunte Laternen hängen
ns langen Reihen an den beinahe überlasteten Bäumen, bestimmt,
>e dem Festtag folgende Festnacht zu beleuchten. Verkaufsbuden
si??-.^ngr-um ausgestellt, in welchen Spielzeug, Puppen, Kuchen,
verschiedenster Art, Sonnenschirme aus nachgemachten
^"b'lüten und Aehnliches zu haben sind; Schaubuden, Guck-
uiten, Märchenerzähler finden sich ebenfalls da, wie überhaupt
e-, was nur zu einer regelrechten japanischen „Kirchweih" gehört.
nnu> diesem Anlaß strömen die Lanüleute von allen Seiten
icy der Stadt, geschmückt mit funkelnagelneuen, sonnenschirm-
ü ^r°hhüien und jedes in seinen besten Kleidern. Wer
kommt mit Kind und Kegel. Ein Hauptvergnügen
o , und Alt besteht auch im Füttern der bei den Tempeln
nie? wobei es an Scherzen und harmlosen Sticheleien
eine - ' K°wmt endlich der Abend, dann nimmt das Fest
let-s^ rauschenderen, jubeltollcren Charakter an, bis die
. "ne erlischt und über den Kirschblütenhain die junge
geisionne ihre ersten Strahlen wirft.

wildröslein.
(Bild S.
bist nicht wie die anderen sind.
Die andern, in sammtnem Alcide;
Du bist ein wildes, trotziges Aiud,
zMin Aind von der braunen Heide.
Dir engt kein Mieder die junge Brust,
Aein Band hält der Locken Seide;
Ls sind dir Regen und Sturmwind Lust,
Mein Aind von der braunen Heide.
Und gleichst du wenig den Blumen auch,
Die anderer Augen Meide;
Mein Röslein bist du vom wilden Strauch,
Mein Aind von der braunen Heide. . w.

Im fernen Westen.
Novelle

von

K. von Wcrvfns.

(Fortsetzung.)
^^Her erfahrene Trapper hatte sich auch nicht geirrt.
Kaum hatten sie die Felsschlucht verlassen, als
AWss ihnen dichte Rauchwolken von allen Seiten
entgegenquollen. Die Indianer hatten das von
der Sonne gedörrte Gestrüpp, das hohe Gras
und Schilf in dem engen Thale zwischen dem linken Ufer
des Rio Pecos und den steilen Abhängen des Llano

Estacado in Brand gesteckt, um die Weißen zu verderben,
nachdem es ihnen nicht gelungen, dieselben zu überfallen
und sich in den Besitz ihrer Pferde und Waffen zu setzen.
Die zehn beherzten Männer hielten unwillkürlich ihre
Pferde an und starrten mit besorgten Blicken in den dicken
schwarzen Rauch, hinter welchem hin und wieder schon
rote Flammenzungen sich zeigten; auch ihr Führer hielt
einen Augenblick, doch nur um sich zu orientiren.
Nach kurzem Ueberlegen rief er seinen Gefährten zu:.
„Der Morgenwind treibt den Rauch das Thal hinauf,
wir würden also ersticken, wenn wir nach jener Richtung
hin entfliehen wollten; wir müssen dem Wind entgegen-
reiten, dann sind wir schnell aus dem Feuer hinaus, da
die Rothäute nicht Zeit gehabt haben, das Gras und
Schilf thalabwäris anzuzünden. Rasch einige Wasser-
schläuche ausgeschnitten, Tücher nnd Decken naß gemacht
und vor Mund und Augen gehalten, die Pferde finden
schon allein ihren Weg, besonders wenn ich voraus reite.
Aber schnell, wenn euch euer Leben lieb ist!"
In wenigen Sekunden waren die Befehle Old Bens
ausgeführt, worauf alle sich das Thal des Pecos abwärts
wandten, von wo sie am Tage zuvor gekommen waren,
und dem vorausreitenden Führer folgten, so schnell die
Pferde laufen konnten. Der dicke, stinkende Rauch drohte
die Reiter, trotz der vorgehaltenen nassen Tücher, zu er-
sticken, während die auf dem Boden hin und her schießenden
Flammen den Pferden Hufe und Beine versengten; doch
Sporen und Schenkel trieben die armen Tiere zur Auf-
bietung aller Kräfte an, so daß sie in kaum zwei Minuten
den äußern Rand des feurigen Gürtels erreichten.
Die kleine Truppe bot einen ziemlich kläglichen Anblick
dar. Gesicht und Hände der Männer waren von Rauch
geschwärzt, Haare und Bart versengt; am schlimmsten war
cs den armen Pferden ergangen, deren Mähnen und Haare
an den Fesseln und Beinen vollständig abgcsengt waren.
Doch blieb nicht viel Zeit, sich mit Betrachtung der er-
littenen Schäden aufzuhalten, denn wenige hundert Schritte
hinter dem Flammengürtel erwartete eine Schar von viel-
leicht vierzig Indianern die Weißen.
„Es sind Mascalero-Apaches!" rief Old Ben nach
einem kurzen Blicke auf die Rothäute, „ich erkenne sie an
ihrer Bemalung. Sie wohnen drüben auf dem rechten
Ufer und wollen uns hier auffangen, im Falle es uns ge-
lingen sollte, dem Feuer zu entgehen. Wir können uns
mir den Halunken unmöglich lange Herumschießen, da wir
hier in dem engen Thale sehr bald von allen Seiten ein-
geschlossen sein würden, können dabei auch leicht unsere
Pferde verlieren. Wir wollen die Tiere einen Augenblick
verschnaufen lassen, dann plötzlich auf die Rothäute los-
jagen und sie über den Haufen reiten; aber vor allen
Dingen festgeschlossen bleiben; wer zurückbleibt, ist ver-
loren!"

Als die Pferde wieder zu Atem gekommen, ritten die
Weißen langsam im Schritt vor, bis sie auf den Zuruf
ihres Führers in voller Carriere sich auf die Indianer
stürzten, welche dadurch so überrascht wurden, daß sie nur
einzelne unschädliche Büchsenschüsse auf die Anstürmenden
abfcuerten und nach beiden Seiten auscinanderstoben.
Nach einem rasenden Ritte von einigen Minuten sprengte
die kleine Schar ungefährdet um einen Vorsprung des
Plateau und war den Apaches aus dem Gesicht ent-
schwunden, die glücklicherweise nicht beritten waren, da sie
ihre Pferde auf dem andern Ufer zurückgelassen, von denen

sie bei dem Ueberfall des Lagerplatzes wegen des Gebüschs
und Gestrüpps keinen Gebrauch hätten machen können.
Als die Reiter um den Vorsprung der Hochebene,
welche dort den östlichen Rand des Pecosthales bildet,
heriimgekommen waren, sahen sie vor sich eine wohl zwei
englische Meilen tiefe Einbuchtung, da sich der Llano
Estacado so weit vom Flusse zurückzog. Ben erklärte dem
neben ihm reitenden Broughton, daß sie versuchen müßten,
am Ende dieser Einbuchtung einen Pfad zu finden, der
sie auf die Hochebene hinaufführe, da sie sonst genötigt
sein würden, den Pecos wenigstens eine halbe Tagereise
wieder hinabzugehen, um bei der Mündung des Rio
Pennasco auf das andere Ufer zu gelangen, da die Mas-
caleros die Fortsetzung ihrer Reise im Thale des Pccos
aufwärts unmöglich gemacht hätten.
Nach einem starken Ritte durch die mit hohem Prärie-
gras bedeckte Thalebene erreichte man den Fuß des steilen
Felöabhanges. Pferde und Menschen waren so erschöpft,
daß eine längere Rast unbedingt notwendig schien, um die
Tiere vor allen Dingen zu füttern, ihre Brandwunden
auszuwaschen und so gut als möglich zu verbinden, und
sich selbst etwas von den Anstrengungen des Morgens zu
erholen. Da man indessen noch keineswegs aus dem
Bereiche der Apaches war, so brach man nach zwei Stun-
den der Ruhe wieder auf und begann in einer schmalen
Felsspalte, die nichts anderes als eine vom Regenwasser
in das Gestein gerissene Rinne war, mühsam den steilen
Abhang hinaufzuklettern, die Pferde am Zügel nachziehend,
die wegen des vielen Gerölles und der Steilheit des engen
Pfades nur mit großer Schwierigkeit hinaufgebracht wer-
den konnten.
Endlich erreichten sie, erschöpft von den Mühseligkeiten
des Kletterns und des Hinaufschaffens der Tiere, den fast
tausend Fuß hohen Rand der Hochebene und setzten nach
kurzer Rast ihren Marsch fort in nordwestlicher Richtung
über die steinige und unfruchtbare Hochebene des Llano
Estacado; erst beim Einbruch der Nacht ließ der Führer-
Halt machen, da man nun sicher vor den Rothäuten war.
Noch zwei Tage ritt die kleine Truppe auf der Hochebene
weiter, bis die völlig geleerten Wasserschläuche, zu deren
Füllung auf dem felsigen und wasserarmen Llano Estacado
keine Möglichkeit vorhanden, sie nötigten, wieder in daS
Thal des Pecos hinabzusteigen. Diese beiden Tages-
märsche auf der baumlosen, öden Hochebene, unter den
sengenden Strahlen der Sonne waren für Menschen und
Tiere außerordentlich anstrengend gewesen, besonders da
die ersteren bei dem geringen Wasscrvorrate, der haupt-
sächlich zur notdürftigsten Tränkung der Pferde verwendet
werden mußte, allen Qualen des Durstes ausgesetzt waren.
Sie begrüßten daher doppelt freudig die kühle Luft im
Thale des Flusses, das sie am Abend des dritten Tages
wieder erreichten, und zwar so weit nördlich vom Gebiete
der Mascalero-Apaches, daß nichts mehr von diesen zu
befürchten war.
Nach einem sechstägigen Marsche über das Jicarilla-
gebirge erreichte Broughton mit seinen Gefährten das Thal
des Rio Grande del Norte gerade gegenüber der Mündung
des Puerco, etwa fünfundzwanzig englische Meilen südlich
von der kleinen Stadt Belen. Von hier gelangten sic
ohne Aufenthalt nach dem größeren Orte Santa Fe, wo
sie mehrere Tage zu bleiben gedachten, um sich und ihren
Pferden eine längere, dringend notwendig gewordene Er-
holung zu gewähren und sich für den beschwerlichen Ritt
über den südlichen Teil des Felsengebirges und den nörd-
lichen der ausgedehnten Coloradohochebene mit Mundvor-
rat und allem sonst Erforderlichen zu versehen.
An den Quellen des Sal. River, einem Nebenfluß
des Chila, liegt im östlichen Teile der großen Colorado-
Hochebene das Fort Desiance. An einem herrlichen Herbst-
morgen verließ eine kleine Karawane das Thor dieses
Forts in nordwestlicher Richtung, um das Thal eines
kleinen Flusses zu erreichen, der sich nach einem Laufe vou
etwa fünfzig englischen Meilen in den Chaca ergießt, einen
Nebenfluß des San Juan River, welcher nach einem west-
lichen Laufe von über zweihundert Meilen in den Grand
Colorado River mündet.
Die Karawane bestand aus einigen zwanzig gut bewaff-
neten und berittenen Männern, denen man es auf den
ersten Blick ansah, daß sie Vaqueros (Ochsen- oder Pferde-
hirten) aus Neu-Mexiko oder Arizona waren, mit Aus-
nahme von zwei Herren, die an der Spitze des ZugeS
ritten und von denen der ältere offenbar aus den Nord-
staaten von Amerika stammte, während der jüngere das
Aussehen eines geborenen Mexikaners hatte. Auch eine
junge Dame mit blassem, feinem Gesicht, dunklen Augen
und tiefschwarzem Haar befand sich bei der Gesellschaft;
sie war mit einer dunkelblauen Amazone bekleidet, ihr
fchöner Kopf wurde von einem breitrandigen Strohhute
mit blauem Schleier vor den Sonnenstrahlen geschützt; sie
ritt einen schönen isabellfarbigen Mustang mit schwarzer
Mähne und schwarzen Beinen. Ihr weißes Kammer-
mädchen und eine junge Negerin saßen auf dem ersten
der fünf Wagen, welche, mit kräftigen Maultieren bespannt,
den Reitern folgten, beladen mit Zelten, Lebensmitteln,
Wasscrschläuchen und allen sonstigen Bedürfnissen zu einer
Reise durch Gegenden, welche nur selten oder fast nie
 
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