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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 8.1922

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VIII. 1
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Freud, Sigmund: Traum und Telepathie: Vortrag in der Wiener psychoanalytischen Vereinigung
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https://doi.org/10.11588/diglit.28550#0012

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Sigm. Freud

gefehlt hätte, welche die Mitteilung enthielten, an einem gewissen
entfernten Ort spiele sich ein bestimmtes Ereignis ab, wobei es der
Auffassung des Träumers überlassen ist, zu entscheiden, ob das
Ereignis eben jetzt eintrete oder zu irgend einer späteren Zeit,- auA
Ahnungen entfernter Vorgänge mitten im Wachleben habe iA oft
verspürt, aber alle diese Anzeigen, Vorhersagen und Ahnungen sind,
wie wir uns ausdrüdcen: nicht eingetroffen,- es zeigte sich, daß ihnen
keine äußere Realität entsprach, und sie mußten darum als rein
subjektive Erwartungen aufgefaßt werden.
Ich habe z. B. einmal während des Krieges geträumt, daß
einer meiner an der Front befmdliAen Söhne gefallen sei. Der
Traum sagte dies nicht direkt, aber doch unverkennbar, er drückte
es mit den Mitteln der bekannten, zuerst von W. Stekel ange^
gebenen Todessymbolik aus. (Versäumen wir nicht, hier die oft un-
bequeme PHiAt literarischer Gewissenhaftigkeit zu erfüllen!) Ich sah
den jungen Krieger an einem Landungssteg stehen, an der Grenze
von Land und Wasser,- er kam mir sehr bleich vor, ich spraA ihn an,
er aber antwortete nicht. Dazu kamen andere nicht mißverständliche
Anspielungen. Er trug nicht militärische Uniform, sondern ein Ski-
fahrerkostüm, wie er es bei seinem schweren Skiunfall mehrere
Jahre vor dem Krieg getragen hatte. Er stand auf einer schemel-
artigen Erhöhung vor einem Kasten, welche Situation mir die Deu-
tung des s>Fa!!ens« mit Hinsicht auf eine eigene Kindheitserinnerung
nahe legen mußte, denn ich selbst war als Kind von wenig mehr
als zwei Jahren auf einen solchen SAemel gestiegen, um etwas von
einem Kasten herunterzuholen — wahrsAeinliA etwas Gutes —
bin dabei umgefallen und habe mir eine Wunde gesAlagen, deren
Spur iA noA heute zeigen kann. Mein Sohn aber, den jener Traum
totsagte, ist heil aus den Gefahren des Krieges zurüdegekehrt.
Vor kurzem erst habe iA einen anderen Unheil verkünden^
den Traum gehabt, iA glaube, es war, unmittelbar ehe iA miA
zur Abfassung dieser kleinen Mitteilung entsAloß,- diesmal war
niAt viel Verhüllung aufgewendet worden,- iA sah meine beiden
in England lebenden NiAten, sie waren sAwarz gekleidet und
sagten mir: am Donnerstag haben wir sie begraben. IA wußte,
daß es siA um den Tod ihrer jetzt siebenundaAtzigjährigen Mutter,
der Frau meines verstorbenen ältesten Bruders, handle.
Es gab natürliA eine Zeit peinliAer Erwartung bei mir,- das
plötzliAe Ableben einer so alten Frau wäre ja nidrts ÜberrasAen-
 
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