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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 8.1922

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VIII. 2
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Kinkel, Johann: Zur Frage der psychologischen Grundlagen und des Ursprungs der Religion, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.28550#0208

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198

Dr. Johann Kinhel

auf die Weltverhältnisse, Beziehungen und ^Ordnung. Die Familien-
moral existiert auch in dem Universum! — das ist der feste Ge-
fühls= und Glaubenssatz der infantilen Menschheit, ja der Kern -
satz auch aller Religionsphilosophie bis heutzutage,- »ohne diesen
Glauben muH die Menschheit wahnsinnig werden und zugrunde
gehen,« lautet oft die Kirdienmoral.
Es scheint nun, daß das große Geheimnis des Sexualaktes,
die Macht des Sexualtriebes und die Entstehung jedes Lebe-
wesens vom Vater, und zwar nicht nur beim Menschen, sondern
auch im Tier- und Pflanzenreiche, überhaupt in der gesamten
Natur, stets ganz besonders stark auf die Phantasie des primitiven
Menschen eingewirkt hat und ihn veranlaßte, in Analogie damit
zu glauben, daß auA alle ihn umgebenden Naturerscheinungen,
ja die gesamte Natur, ebenfalls »vom Vater« stamme. Auf Grund
dieser Vorstellungen dachte der primitive MensA (ebenso wie das
Kind mit seinem Glauben, daß alles, was es sieht, von seinem Vater
gesAaffen ist!), daß die ihn umgebende Natur und alle ihre Güter
wie die Sonne, der Regen, die Tiere, MensAen, FruAtbarkeit
der Erde, PHanzen usw. von dem Urahnen seines Stammes
geschaffen oder bösen Mächten entrissen und den Nach^
kommen zur Verfügung gestellt worden seien. Dieser LIr-
ahne wird eben als der Vater, Sdiöpfer und BesAützer aller
Naturgüter gedaAt und das wäre wohl als die erste Stufe der
Vatereinstellung in der ReligionspsyAologie der MensAheit zu
bezeiAnen. VorzügliAeBelege in dieser HinsiAt, die versAiedensten
kulturell besonders zurüdcgebliebenen Naturvölker des Erdkreises
umfassend, gibt uns Kurt Breysig in seinem BuAe »Die Ent-
stehung des Gottesgedankens und der Heilbringer«. Zu demselben
Vorstellungskreis wären auA die religiös verehrten (verhüllten)
Gestalten der Stammahnen im Totemismus und später Animis^
musBetisAismus zu reAnen. Die volle religionspsyAologisAe Be^
deutung des Totemtieres und seines Religionskultus voll aufzu-
dedcen, ist allerdings erst Freud gelungen, DoA konnte man die
Vatergestalt des Totemtieres auA vor Freuds glänzender Analyse
ziemliA deutliA durAsAimmern sehen, z. B. bei Fr. B. Jewons,
Frazer, Andrew Lang u. a. Von dem Totemtier glaubt naA diesen
ForsAern der primitive MensA abzustammen und ihm verdankt
er alle seine KulturerrungensAaften,- mit ihm ist er durA enge
Blutsverwandtsdiaft verbunden. Das Totemtier verleiht ihm SAutz
 
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