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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 8.1922

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VIII. 3
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Lorenz, Emil: Der Mythus der Erde
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https://doi.org/10.11588/diglit.28550#0325

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Der Mythus der Erde

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Bewußtsein vom Mythus in gleidier Weise wie vom Traum ver*
wendetes Ausdrucksmitte! des Unbewußten ist das Symboi . . .
Psychologisch betrachtet bleibt die Symbolbildung ein Regres-
sivphänomen, ein Herabsinken auf eine frühere Stufe bildlichen
Denkens, das sich beim vollwertigen Kulturmenschen in deut-
liebster Ausprägung in jenen Ausnahmszuständen findet, in denen
die bewußte Realanpassung entweder stark eingeschränkt ist, wie
in der religiösen oder künstlerischen Ekstase, oder gänzlidi auf-
gehoben erscheint, wie im Traum und den Geistesstörungen,
Dieser psychologischen Auffassung entspridit die kulturhistorisch
nachweisbare ursprüngliche Funktion der der Symbolisierung
zugrundeliegenden Identifizierung als eines Mittels zur
Realanpassung, das überflüssig wird und zur bloßen Bedeutung
eines Symbols herabsinkt, sobald diese Anpassungsleistung geglückt
ist. So erscheint die Symbolik als der unbewußte Niederschlag
überflüssig und unbrauchbar gewordener Anpassungsmittel an die
Realität, gleichsam als eine Rumpelkammer der Kultur, in die der
erwachsene Mensch in Zuständen herabgesetzter oder mangelnder
Anpassungsfähigkeit gerne flüchtet, um seine alten, längst ver"
gessenen Kinderspielzeuge wieder hervorzuholen. Was spätere
Generationen nur als Symbol kennen und auffassen, das hatte
auf früheren Stufen geistigen Lebens vollen realen Sinn und Werth
Wenn diese Arbeit nichts weiter geleistet hat, als daß sie
in diese Rumpelkammer eine Ordnung zu bringen versuchte, so
wird sie nicht vergebens sein. Doch möchte ich sogar meinen, daß
ihr Ergebnis ein reicheres ist. Wir haben den seltsamen Urväter^
hausrat nicht nur chronologisch geordnet — freilich nur ein paar
Stücke, aber gerade die wichtigsten — und in dieser musealen
Ordnung aufgestellt, wir haben die Sdiaustü&e auch in die natür^
liehe Umgebung hineingestellt, aus der sie hervorgewachsen sind,
und haben dieses Freilichtmuseum noch überdies erweitert durch
die Vorführung der geistigen Arbeitsstätten, aus denen seine
Produkte hervorgegangen sind. Die Methode aber, deren wir uns
hiebei bedient haben, lehrt uns noch etwas anderes. Erstens, daß
die Symbolik keine bloße Folge der Verdrängung ist,, denn die
Symbole erweisen sich uns als ein bereitliegendes Material, dessen
wir uns bedienen, wenn Regungen in uns na& Ausdruck ringen,

i Rank, a. a. O. S. 35 f.
 
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