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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 8.1922

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VIII. 3
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Pfister, Oskar Robert: Die Religionspsychologie am Scheideweg
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https://doi.org/10.11588/diglit.28550#0408

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Dr. Oskar Pfister

Freude Girgensohn eigentliA wollte, so müssen wir das einzelne
Erlebnis im Rahmen des Lebensaufbaues, in seiner Entwicklung,
seiner biologisAen Bedeutung für das Lebensganze untersuchen.
Nur im Zusammenhang mit dem Lebensganzen können wir die
einzelne Lebensäußerung, und wäre sie noA so geringfügig, ver-
stehen. Kleine Versuche, wie Girgensohn sie vornahm, erinnern
an jenen Geologen, der Gletscherkunde am gefrorenen Wasser^
tropfen treiben wollte, sich aber wohl davor hütete, den Eisstrom
selbst zu durchforschen.
Idh sage nicht, daß die Beobachtung des Wassertropfens
wertlos sei. Aber wenn jener Unglückliche zehn Jahre hinter seinen
paar Wassertropfen sitzt — Girgensohn saß länger an seinen
Versuchen und ihrer Ausarbeitung! — und wenn er denen, die
sich auf den GletsAer hinauswagen, nur unberechtigte, sachlich
durch niAts begründete Kritik widmet, dann würde man ihn kaum
loben.
Faber hat die historisAe UntersuAung der Entstehung und
Bntwiddung der Religion ausdrüAliA der ReligionspsyAologie ent<=-
zogen und der ReligionsgesAiAte zugewiesen (a. a. O. S. 88). Allein
wir haben es niAt mit der Religion im allgemeinen zu tun, sondern
mit dieser und jener religiösen ErsAeinung dieser oder jener Person.
Daß man mit der OberßädienpsyAologie hilflos dastand, war das
traurige Los der nun glü&liA großenteils überwundenen Phase der
PsyAologie. Jetzt aber gilt es, endliA ein Neues zu pflügen.
Solange die ReligionspsyAologie im Sinne einer naturwissen^
sdiaftliAen PsyAologie getrieben wird, solange sie dem Geiste
niAt gibt, was ihm zukommt, wird sie über die Belanglosigkeit,
die durA Girgensohns Werk gekennzeiAnet wird, nie hinaus^
kommen. Wer naA einem MensAenalter ungeheuer intensiver
Experimentierkunst noA immer niAt einsehen gelernt hat, daß
man auf diesem Wege weder für die Erkenntnis der höheren
Geistesleistungen, noA für die Beeinflussung des Seelenlebens viel
BrauAbares zu leisten vermag, soll meinetwegen weiter leeres
Stroh dresAen. IA kann solAen Leuten nur wünsAen, daß sie
das Alter des Methusalem um ein MehrfaAes übertreffen, sonst
tun sie mir bitter leid.
Daß ein so hervorragender Gelehrter wie Girgensohn, ein
so feiner Kopf und eine so immense Arbeitskraft, naA Aufgebot
eines so erhebliAen Stü&es seiner Lebenszeit so ersdire&end
 
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