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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 8.1922

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VIII. 3
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Pfister, Oskar Robert: Die Religionspsychologie am Scheideweg
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https://doi.org/10.11588/diglit.28550#0409

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Die RetigionspsyAoiogie am Scheidewege

399

wenig Brheblidies und für das Leben Brsprießlidies geleistet bat,
wird vielleicht dem einen und anderer zur Warnung dienen. Vieh*
leiAt wird er sich Zeit nehmen, niAt nur, wie Girgensohn, ein
wenig am KelAe der Psychoanalyse zu nippen, um nach den
ersten Bntde&erfreuden vor den Schwierigkeiten, die ihr anhaften,
auszureißen, sondern sich gründlich und womöglich unter kundiger
Leitung in die Ausübung der schwierigen Methode einführen zu
lassen.
Die Religionspsychologie steht an einem Scheideweg. Zwei
ihrer nichtanalytischen Führer, Stählin und Girgensohn, wagten es,
die Frömmigkeit des lebenden Menschen direkt zu untersuchen.
Nun stellt sich heraus, daß mit atomisierenden Versuchen und
Analysen nicht weit zu kommen ist und daß ein normales
Kausalitätsbedürfnis an solchen armen^ kleinen Querschnitten, und
wären ihrer Millionen, keine Befriedigung finden kann.
Was ist da zu tun? Sol! man in die alte Papierseligkeit
zurüAfallen und eine neue Herde magerer Prinzipienrößlein herum-
jagen, das Lebendigste, GesAiAtliAste aber, den schaffenden Geist,
aus dem Totesten, dem geschriebenen Buchstaben, zu erkennen
trachten? Bs wäre Selbstmord der wahrlich sAon genug kom-
promittierten und diskreditierten Religionspsychologie! Sollen denn
wirklich alle Hoffnungen, die auf den neuen, so grandios von
Schleiermacher inaugurierten wissenschaftlichen Zweig gesetzt
worden sind, begraben werden müssen?
Ich glaube nicht. Bs gibt einen verheißungsvollen Weg, der
dem Wesen des Geistes und dem menschlichen Bedürfnis ange-
messen ist: Die entwiddungsgesAiAtliAe Forsdiung* der PsyAo-
analyse. Sie vermeidet Girgensohns unnatürliAe Zerreißung der
wirkliAen seelis Aen Zusammenhänge, sie bedarf keiner Erpressungen
und BrsAleiAungen gekünstelter religiöser Erlebnisse, sie dringt
auf die tiefsten und weitesten heute erreiAbaren UrsäAliAkeiten,
indem sie sogar die Embryologie des frommen Erlebnisses im
MuttersAoß des Unbewußten verfolgt, sie verhilft zur Kenntnis
religiöser Entwicklungsgesetze, ohne in den Grundfehler der natur-
wissensAaftliAen PsyAologie zu fallen, sie wird dem Historisdi^
Individuellen, wie dem Formalen, Abstrakten gereAt. Sie arbeitet
innerhalb der LebenswirkliAkeit und dient dem Leben. Nie hat
es eine geisteswissensAaftliAe Methode gegeben, die so sehr
vom Leben selbst aufgenötigt war. Lind das Leben hat seinem
 
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