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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 8.1922

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VIII. 4
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Winterstein, Alfred von: Zur Entstehungsgeschichte der griechischen Tragödie
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https://doi.org/10.11588/diglit.28550#0452

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442

Dr. Alfred Winterstein

Dithyrambus eine Äußerung der mannmänniichen Erotik* * erblidcen
dürfen. Die Beziehung zum kultisdi verehrten die Männer^
gesellschaft und die Rausdistimmung" reden eine deutliche Sprache.
Die erotisdte Lyrik der Griechen ist ja überhaupt eine vorwiegend
männiiche und bedient sich zur Verschleierung gerne eines mytho^
logischen Gewandes. Ohne den erotischen Charakter der Männer-
bünde erkannt zu haben, hat s&on H. Schurtz in dem Kapitel
x>K!ubs und Geheimbünde« seines Buches ^Altersklassen und
Männerbünde« (S. 323) die x-geselligkeitsfördernde Macht der
narkotisdten Stoffe« hervorgehoben. Er schreibt:
x-Die meisten hierhergehörigen Getränke und Steife haben die
Eigenart, eine gemeinsame, in der Regel fröhli&e und bei mäßigem
Genuß wohlwollende Stimmung zu erzeugen, die der Geselligkeit
außerordentlich zustatten kommt und den Zusammenhalt der
Männer besser bewirkt als bloße gemeinsame Schmausereien . . .
Es kann nicht fehlen, daß Zechen und Rauchen stellenweige den
Charakter einer religiösen Handlung annimmt.«
Das von uns aufgezeigte männerbündlerische Element im
früheren, rein rituellen Dithyrambus vermag vielleicht einerseits
die Erscheinung erklären helfen, daß in späterer Zeit die Stoffe
des dionysischen Hymnus der Heroensage entnommen wurden ^
(Heroendithyrambus), und kann anderseits die Herleitung der
Tragödie aus Pubertätsbräuchen * psydiologisch verständlicher machen.
Wir sehen uns nunmehr vor die Frage gestellt, ob der ursprüngl-
iche Inhalt des Dithyrambus durch die Etymologie des Wortes
ermittelt werden kann.
Unter den antiken Etymologien ist die bekannteste diejenige
von der doppelten Tür, die sich offenbar auf die in den »Bakchen«
des Euripides (v. 518 ff.) erzählte zweite Geburt des Dionysos^
kindes ^Dithyrambos« aus der Hüfte^ seines Vaters Zeus bezieht.
1 Vgl. hiezu auch HansBiüher: Die Rohe der Erotik in der männlichen
Gesellschaft. H. Bd. Jena 1919.
2 Analysen von Psychoanalytikern haben gezeigt, daß unbewußte hemo^
sexuelle Begierde viele Männer zum Alkohol greifen läßt, der durch Zerstörung
der Sublimierungen die gieichgeschleditliche Erotik zum Vorschein bringt. Siehe
auch K. Abraham: Die psychologischen Beziehungen zwischen Sexualität und
Alkoholismus. Zeitschrift für Sexualwissenschaft. 1. Jahrgang, 1908.
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* über die anderen Quellen zur Entstehung der Tragödie siehe weiter unten.
3 Die mythologische Vorstellung von Geburten aus dem Beine ist alt und
weitverbreitet. Liebrecht (Zur Volkskunde. Heilbronn 1879. S. 490) erinnert
außer der Geburt des Dionysos (tt?7poppct<p?jg, jtujpoQctqcijg) und der Geburt
 
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