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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 8.1922

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VIII. 4
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Winterstein, Alfred von: Zur Entstehungsgeschichte der griechischen Tragödie
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https://doi.org/10.11588/diglit.28550#0453

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Zur Entstehungsgeschidite der griechischen Tragödie

443

Man hat den Vorgang umkehren und behaupten wollen, daß diese
Etymologie Anlaß zu einer wunderlichen Fabel gegeben habe, die
wiederum dem Chorgesang des Buripides zugrundegelegt worden
sei. Aber die Darstellung des griechischen Dichters weist so un^
verkennbare Züge eines urtümlichen Rituals ^ auf, daß man sich
die falsche Etymologie nicht nur durdi die mißverständliche Auh?
fassung einer alten rituellen Bezeichnung, sondern auch durdi eine
tatsächliche Wiedergeburtszeremonie verursacht denken muß.
Plato kommt unserer Erklärung zu Hilfe. In den s-Gcsetzen-s^
sagt er bei Besprediung der verschiedenen Arten von Oden:
^Einige sind Gebete zu den Göttern und diese heißen Hymnen,-
andere von entgegengesetzter Art werden Klagelieder genannt,
wiederum andere Päane und eine weitere Art von Oden — die
Geburt des Dionysos meine idi — Dithyrambus^.
Wir wissen auch, daß Timotheos einen Dithyrambus dichtete,
der 9die Geburtswehen der SemeleK (ZT/A/z^g coßtveg) hieß, und
daß der 75. Dithyrambus des Pindar die Geburt des Bromtos aus
der Semele im Frühling besang.
So viel scheint festzustehen: es handelt sich um einen Geburts^
gesang. Aber gibt es eine befriedigende etymologische Erklärung?
Lateinische Grammatiker haben &i7vpct^og von Optct,u^og abgeleitet
und dieses Wort wieder in die Nähe von triumpus (der dreL
schrittige Siegestanz) gerückt. Eine andere Erklärung, die der
englische Philologe A. B. Cook" gibt, sdieint mehr zu befriedigen.
Die erste Silbe zB für zlu entspringt der nämlichen Wurzel wie
Zeug und /Log.* Die Endigung ct,u,#og ist wahrscheinlich die gleiche
wie beispielsweise in t'ct^og. Bleibt die Silbe Ovo, die stets eine
crux interpretum gebildet hat. Nun hat Hoffmann^ nachgewiesen,
daß die nördlichen Völkerschaften Griechenlands unter gewissen
des Flephaestos aus Heras Hüfte daran, daß in der indischen Sage Aurva von
seiner Mutter Vamöru (d. i. Linksschenke!) in ihrem Sdrenke! verborgen geha!ten
wurde und aus diesem ans Licht trat, daß ferner aus dem geriebenen finken
Sdienkef der toten Vena ein Mann hervorkam, daß nach einer aitfranzösischen
Legende Phanuef ein Mägdiein aus dem Schenke! gebiert,- daß nach einer mada-*-
gaskarischen Sage von Adam gfeiches erzähft wird und daß endiieh in der nordH
sdien Mythofogie der eine Fuß Hymirs mit dem andern einen Sohn zeugt.
' Euripides muß etwas ähniiehes gesehen oder davon gehört haben.
2 IH, 700 B
2 In J. E. Harrison: Themis. A study of the socia! origins of Greek
refigion. Cambridge 1912. S. 204.
* So auch Farne!f: The Cu!ts of the Greek Staates. V. S. 144.
Die Makedonen. S. 242.
 
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