Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 8.1922

DOI Heft:
VIII. 4
DOI Artikel:
Winterstein, Alfred von: Zur Entstehungsgeschichte der griechischen Tragödie
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.28550#0475

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zur Entstehungsgeschichte der griechischen Tragödie

463

zum prägenitalen Kannibalismus regredierende WunsA nadi Ver* *=-
einigung mit dem Dionysossohn. ÄhnliA wie das Inzeststreben
des Sohnes die Regression in das primäre narzißtische Stadium
in siA begreift, mußte sich an das inzestuöse Verlangen der
Mutter, vom Sohne neugezeugt zu werden, der Wunsdi nach
Verjüngung, Fortdauer, der UnsterbliAkeits wunsA, der eine Ab*
lehnung des Todes durch den auf der anfängliAen EntwiAlungs^
stufe allmächtig herrschenden Narzißmus bedeutet, anschließen.
Und war man durch die Vereinigung mit dem göttlichen Sohne
der Unsterblichkeit nun nicht doppelt gewiß?
Die körperliche Gemeinschaft mit dem Gott (o^otcocng tra)
#ecp) kam auch äußerlich zum Ausdruck, sollte auf magische
Weise dadurch bewirkt werden, daß die Mysten siA in das Fell
des verehrten Tieres hüllten und siA seinen Namen beilegten.
Die älteste, wohl sAon in die vorhomerisAe Periode zurüA^
reiAende Tiergestalt des Gottes ist der Stier* — ein patriarAalF
sAes phallisAes Symbol, das mit dem daktylisA-AthonisAen
Charakter des Dionysos in gutem Einklänge steht.
In dem elisAen Adventslieds wird der Stierdionysos von
den 16 Frauen mit den Worten angerufen:
^ Adlung
'AAetan' eg
ow *
^g trq) j?oecp
trcrupe, a^e trcwpe.
verstehen, das sich der Brüder nach dem Morde <sc. der von den vereinigten
Brüdern der Urhorde am Vater verübten Mord) bemächtigte. Wir affe werden
an einem Totenbette unwiifkürfiA verstummen, in dem Schweigen der Brüder
war Ernüchterung nach ihrer Gewaittat, darin iag gieichzeitig die unbewußte
Identifikation mit dem Toten: es war, wie wenn sein Schweigen auf sie Über-
griffe. Es war aber auch zugfeich ein Symptom dunklen Schufdbewußtseins: sie
verurteiften siA darin gfeiAsam sefbst zum Tode. So stark und ursprüngfiA
wirkt das urafte, ungesAriebene Tafionsgesetz.a
Die deiphisAen Theofogen rufen den Dionysos afs Euios herauf, der die
Weiber erregt und mit seinen rasenden Ammen verkehrt.
t Das athenisAe Boukofion, die Residenz des ArAon Basifeus, wo afijährfiA
die feierfiAe Vermähiung der mit Dionysos begangen wurde, gemahnt an
die afte Vorsteffung des Stiergottes. Die Mysten des Dionysos hießen
er sefbst ersAeint auA vereinzeit afs Hirt. (Vgf. Jesus afs Hirt und Lamm.)
* Pfut. qu. gr. XXXVI.
" Der Vokativ existiert niAt, demnaA auA kein ^Heros^ Dionysos,
der sonst nirgends befegt ersAeint. — Die Verbesserung stammt von A. B. Cook
<bei Harrison, I. c. S. 203').
' Die Charitinnen, afte WaAstumsgöttinnen in der Hauptstadt der
Minyer OrAomenos, sAeinen auA in einem mütterfiAen Verhältnis zu

iniago VtU/4

30
 
Annotationen