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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 12.1901

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Habich, Georg: Bruno Paul als Dekorativer Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.6714#0232

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Seite 200.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Dezember-Heft.

IT

Bruno Padl—München.

Speise-Zimmer in der Villa des Künstlers.

würde. Das hängt übrigens mit einer gleich näher zu berüh-
renden Eigentümlichkeit seines künstlerischen Wesens zu-
sammen : sein Sinn für die lineare Erscheinung ist ungleich
entwickelter als der für die reiche, schmückende Farbe.

Ein Damen - Boudoir liegt ihm daher nicht so gut wie
etwa ein Rauch- oder Lese-Zimmer, und lieber als den Auf-
trag zu einem Friseur-Salon, möchte man ihm die Gelegenheit
wünschen, eine elegante Segel-Yacht oder ein flottes Phaeton
zu entwerfen. Bruno Paul hat nichts von dem, was der
Wiener Zuschneider »chik« zu nennen pflegt, aber eine gewisse
straffe Eleganz eignet ihm in hohem Maasse. — Wir nannten
seine Produktion männlich. Sie ist es, aber nicht in dem
Sinne einer breiten Biertisch - Behaglichkeit; sie hat auch
nichts von jener bieepsgeübten Kraftmeierei der geschwellten
deutschen Männerbrust und noch weniger hat sie gemein
mit jenem anderen modernsten Mannes-Ideal, der gedämpften
Feierlichkeit im Bratenrock.

Von jeder Art Philistrosität, auch von der künstlerisch
verbrämten, glücklich frei, verleiht Bruno Paul allem, was er
anrührt, einen gewissen elastischen Zug, den man so recht
als Kennzeichen unserer sportlich wieder besser geübten Zeit
ansehen darf. Frische und Spannkraft heissen die natürlichen
Triebfedern seiner künstlerischen Produktion. Dazu kommt
steigernd eine stark ausländische Note; weder in seinen In-
terieurs, in seinen Möbeln und Geräten, noch in seinen zeich-
nerischen Entwürfen ist der angelsächsische Zug zu verkennen,
der sich übrigens seiner künstlerischen Gesamt-Anschauung
durchaus organisch einfügt.

Man kann von dem Künstler und Kunstgewerbler Paul
nicht sprechen, ohne seiner stilbildenden Kraft als Zeichner

ganz besonders zu gedenken, die er nirgends glänzender
bewährt als in seinen viel berühmten und nicht weniger
gelästerten Simplicissimus-Bildern. Es hiesse die Geschichte
der modernen deutschen Karikatur schreiben, wollten wir
seinen Werdegang schildern und den befreienden Einfluss
kennzeichnen, den Paul auf seine hervorragendsten Genossen
ausgeübt hat. Ein Rückblick auf die ersten Bände der
genannten, für die Geschichte der modernen Illustration so
wichtigen Zeitschrift lässt erkennen, dass Paul, wiewohl er
an Jahren der Jüngste war, geschult an den grossen Vor-
bildern der französischen Karikatur, die sich neuerdings unter
der Flagge der »l'assietteau beurre« wieder zusammengefunden
haben, bereits fertig auf den Plan trat, als seine Freunde
und Kollegen noch in tastenden Versuchen befangen waren.

Leider verbietet die enge Begrenzung unseres Themas
auf Pauls Leistungen dieser Art hier näher einzugehen. Als
ein frühes und besonders prägnantes Beispiel sei nur auf die,
bei ihrem Erscheinen kaum bemerkten Illustrationen zuThoma's
»Agrikola«. hingewiesen, der vor Jahren in einem entlegenen
bayerischen Verlag erschienen, erst jetzt zu einer seiner
Bedeutung als treueste Schilderung des oberbayerischen
Bauernlebens entsprechenden Popularität gelangt ist.

Zu den sogenannten liebenswürdigen Humoristen gehört
der Zeichner Paul nicht. Er hat eine ausgesprochene Vorliebe
für das Groteske und nicht selten wachsen seine gezeichneten
Bosheiten ins Monströse, Hypertrophische. Was ihn an einer
solchen Vogelgestalt, wie er sie auf dem geschilderten Plakat
so köstlich verwendet, am meisten anzieht, ist das lächerlich
Vertrackte. Das »Unmögliche« der Erscheinung macht ihm
den meisten Spass. Aber dass es ein Spass bleibt, dass er
 
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