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INNEN-DEKORATION
Urschwedisch in seiner lichten Ausstattung spricht
auch der Arbeitsraum aufs unmittelbarste an (Abb.
oben). Der Schreibtisch aus hellem Birkenholz trägt
ebenfalls eine holzfarbene Linoldecke zum besseren
Schutz. Originell ist der weiße Beleuchtungskörper,
der beinah schwerelos über dem Tisch zu schweben
scheint, wie auch die leichten Rohrsessel schnell zur
Seite geschoben werden können. Die äußere Beweg-
lichkeit will bewußt die geistige beeinflussen, weil sie
weiß, daß Gedanken um so fruchtbarer sind, je froher
und unbelasteter sie schweifen. Der breite Pflanzen-
tisch vor dem Fenster mit seiner grünenden Überfülle
schwingt mit in diesen Akkord . . . Einen Akkord der
Lebensfreude und Schaffenskraft. - ellie tschauner
★
WAS IST WAHRHEIT ? hat man oft genug auch
in der Kunst gefragt und oft genug auch hier
den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen. Wahr ist,
wer wahrt. Der Künstler hat seine Persönlichkeit zu
wahren; durch sie wird er schöpferisch; und desto
mehr, je mehr er sie wahrt - gegenüber allen äußeren
Ansprüchen von Tradition, Markt, Mode, Theorie,
eigener Schwäche und fremder Anmaßung. Wahr ist
was währt. Das Bleibende in Natur und Menschheit,
die großen einheitlichen Züge in ihr, die feste Volks-
physiognomie, welche weder in einzelpersönliche
Willkür noch in leere Abstraktionen überschlägt, sie
allein währen - wie anderswo, so auch in der Kunst.
Das Wort »Wahrheit« erklärt also sich selbst. Bilder
und Statuen müssen für ein bestimmtes Licht, für
einen bestimmten Platz, für ein bestimmtes Gebäude,
nicht für Markt oder Laden gearbeitet sein. Die echte
Kunst ist nicht nur ihrem Ursprünge, sondern auch
ihren Zielen nach immer lokal; sie bedarf, wie das
einzelne Bild, eines festen Rahmens . . .
An dieser eingeborenen deutschen Geistesrichtung
gilt es festzuhalten; sie gilt es zu vertiefen; denn
der Deutsche ist nur wahr, wenn er deutsch ist und
er ist nur deutsch, wenn er wahr ist. Kein bildender
Künstler ist mehr wie Rembrandt in diesem Sinne
wahr gewesen; keiner hat mehr wie er von äußer-
licher Tradition und äußerlicher Klassizität abge-
sehen ; er hat sich selbst dadurch zu einem »ruhenden
Pol in der Erscheinungen Flucht« gemacht. Er währt,
weil er wahrt. - aus dem »kembrandt-deutschen« i89o
INNEN-DEKORATION
Urschwedisch in seiner lichten Ausstattung spricht
auch der Arbeitsraum aufs unmittelbarste an (Abb.
oben). Der Schreibtisch aus hellem Birkenholz trägt
ebenfalls eine holzfarbene Linoldecke zum besseren
Schutz. Originell ist der weiße Beleuchtungskörper,
der beinah schwerelos über dem Tisch zu schweben
scheint, wie auch die leichten Rohrsessel schnell zur
Seite geschoben werden können. Die äußere Beweg-
lichkeit will bewußt die geistige beeinflussen, weil sie
weiß, daß Gedanken um so fruchtbarer sind, je froher
und unbelasteter sie schweifen. Der breite Pflanzen-
tisch vor dem Fenster mit seiner grünenden Überfülle
schwingt mit in diesen Akkord . . . Einen Akkord der
Lebensfreude und Schaffenskraft. - ellie tschauner
★
WAS IST WAHRHEIT ? hat man oft genug auch
in der Kunst gefragt und oft genug auch hier
den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen. Wahr ist,
wer wahrt. Der Künstler hat seine Persönlichkeit zu
wahren; durch sie wird er schöpferisch; und desto
mehr, je mehr er sie wahrt - gegenüber allen äußeren
Ansprüchen von Tradition, Markt, Mode, Theorie,
eigener Schwäche und fremder Anmaßung. Wahr ist
was währt. Das Bleibende in Natur und Menschheit,
die großen einheitlichen Züge in ihr, die feste Volks-
physiognomie, welche weder in einzelpersönliche
Willkür noch in leere Abstraktionen überschlägt, sie
allein währen - wie anderswo, so auch in der Kunst.
Das Wort »Wahrheit« erklärt also sich selbst. Bilder
und Statuen müssen für ein bestimmtes Licht, für
einen bestimmten Platz, für ein bestimmtes Gebäude,
nicht für Markt oder Laden gearbeitet sein. Die echte
Kunst ist nicht nur ihrem Ursprünge, sondern auch
ihren Zielen nach immer lokal; sie bedarf, wie das
einzelne Bild, eines festen Rahmens . . .
An dieser eingeborenen deutschen Geistesrichtung
gilt es festzuhalten; sie gilt es zu vertiefen; denn
der Deutsche ist nur wahr, wenn er deutsch ist und
er ist nur deutsch, wenn er wahr ist. Kein bildender
Künstler ist mehr wie Rembrandt in diesem Sinne
wahr gewesen; keiner hat mehr wie er von äußer-
licher Tradition und äußerlicher Klassizität abge-
sehen ; er hat sich selbst dadurch zu einem »ruhenden
Pol in der Erscheinungen Flucht« gemacht. Er währt,
weil er wahrt. - aus dem »kembrandt-deutschen« i89o