INNEN-DEKORATI ON
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DR. HERMANN ORETSCH »HAUSHALTGESCHIRR SCHÖNWALD« PORZELLANFABRIK SCHÖNWALD/OBERFR.
ERLEBNIS DES GESTALTETEN RAUMES
ir stehen beim baulichen Kunstwerk nicht wie
etwa bei der Plastik einem Etwas gegenüber,
das außer uns bleibt, wir erleben es mit unserem ganzen
Körper. Es erfüllt sein gewolltes Wesen erst in Ver-
bindung mit unserem Körper. Wir dringen ein und
leben in seinem Organismus, dadurch werden wir
gleichsam ein Teil von ihm, und dies Teil kann gar
nicht anders als das Ganze fühlen. Einen schwachen
Abglanz davon vermögen wir ja bereits in unserer
Vorstellung zu spüren, wenn wir Bilder eines Gebäu-
des zugleich mit seinem Grundriß kennenlernen, un-
willkürlich spielt sich in der Phantasie des verständ-
nisvoll Betrachtenden jener Bewegungsvorgang des
Durchwanderns ab . . .
Man kann ganz allgemein sagen: erst die Innen-
architektur gewinnt volle Gewalt über den Betrachter,
eine Gewalt, wie sie keine andere Kunst in diesem
Maße auszuüben vermag. Alles bauliche Gestalten ist
ein Ringen mit dem ungestalteten Raum, aber erst im
Innenraum kann dies Ringen zum vollen Siege kom-
men, hier erst vermag der Baumeister die sonst nie
ganz lenkbare Umwelt voll zu ersetzen durch ein
Stück von eigener Prägung, geformt nach den Bildern
seiner tektonisch gebundenen Phantasie und propor-
tioniert nach den Verhältnissen seines rhythmisch ge-
bundenen Wesens. Aber nicht nur Raumform und
Verhältnisse stehen unter seinem Gebot, sondern in
weitem Maße beherrscht er auch das elementare
Reich von Licht und Schatten.
Dem Tageslicht kann er im Rahmen seiner kos-
mischen Bewegung die Bahn innerhalb der von ihm
geschaffenen Welt vorschreiben; er kann es über-
schäumend fluten oder geheimnisvoll rieseln lassen,
er kann es zwingen, nur im Gewand leuchtender Far-
ben zu erscheinen. Er gebietet als einziger im Reiche
der Kunst über die größte Macht, die unser Gefühl
bewegt, das Licht.
Und nun kommt zu dieser Macht über die Formge-
staltung und dieser Macht über die Lichtgestaltung
noch die Macht über die Bewegung. Sie kann schon
im einräumigen Bau in verschiedenster Art zur Gel-
tung kommen, ganz aber entfalten sich erst ihre Mög-
lichkeiten, wenn es sich um ein Raumgefüge handelt.
Dann tritt nicht nur die unbemerkte Führung im ein-
zelnen Raum als Problem hervor, sondern die Füh-
rung in einer Folge von Räumen mit ihren Hemm-
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DR. HERMANN ORETSCH »HAUSHALTGESCHIRR SCHÖNWALD« PORZELLANFABRIK SCHÖNWALD/OBERFR.
ERLEBNIS DES GESTALTETEN RAUMES
ir stehen beim baulichen Kunstwerk nicht wie
etwa bei der Plastik einem Etwas gegenüber,
das außer uns bleibt, wir erleben es mit unserem ganzen
Körper. Es erfüllt sein gewolltes Wesen erst in Ver-
bindung mit unserem Körper. Wir dringen ein und
leben in seinem Organismus, dadurch werden wir
gleichsam ein Teil von ihm, und dies Teil kann gar
nicht anders als das Ganze fühlen. Einen schwachen
Abglanz davon vermögen wir ja bereits in unserer
Vorstellung zu spüren, wenn wir Bilder eines Gebäu-
des zugleich mit seinem Grundriß kennenlernen, un-
willkürlich spielt sich in der Phantasie des verständ-
nisvoll Betrachtenden jener Bewegungsvorgang des
Durchwanderns ab . . .
Man kann ganz allgemein sagen: erst die Innen-
architektur gewinnt volle Gewalt über den Betrachter,
eine Gewalt, wie sie keine andere Kunst in diesem
Maße auszuüben vermag. Alles bauliche Gestalten ist
ein Ringen mit dem ungestalteten Raum, aber erst im
Innenraum kann dies Ringen zum vollen Siege kom-
men, hier erst vermag der Baumeister die sonst nie
ganz lenkbare Umwelt voll zu ersetzen durch ein
Stück von eigener Prägung, geformt nach den Bildern
seiner tektonisch gebundenen Phantasie und propor-
tioniert nach den Verhältnissen seines rhythmisch ge-
bundenen Wesens. Aber nicht nur Raumform und
Verhältnisse stehen unter seinem Gebot, sondern in
weitem Maße beherrscht er auch das elementare
Reich von Licht und Schatten.
Dem Tageslicht kann er im Rahmen seiner kos-
mischen Bewegung die Bahn innerhalb der von ihm
geschaffenen Welt vorschreiben; er kann es über-
schäumend fluten oder geheimnisvoll rieseln lassen,
er kann es zwingen, nur im Gewand leuchtender Far-
ben zu erscheinen. Er gebietet als einziger im Reiche
der Kunst über die größte Macht, die unser Gefühl
bewegt, das Licht.
Und nun kommt zu dieser Macht über die Formge-
staltung und dieser Macht über die Lichtgestaltung
noch die Macht über die Bewegung. Sie kann schon
im einräumigen Bau in verschiedenster Art zur Gel-
tung kommen, ganz aber entfalten sich erst ihre Mög-
lichkeiten, wenn es sich um ein Raumgefüge handelt.
Dann tritt nicht nur die unbemerkte Führung im ein-
zelnen Raum als Problem hervor, sondern die Füh-
rung in einer Folge von Räumen mit ihren Hemm-