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Österreich / Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale [Hrsg.]
Jahrbuch der K. K. Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale — NF. 1.1903

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Kubitschek, Wilhelm: Ein römischer Glasbecher
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https://doi.org/10.11588/diglit.47868#0102
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W. Kubitschek Ein römischer Glasbecher

184

Ein römischer Glasbecher
dazu Tafel II

Die Redaktion durfte hoffen, daß das be-
achtenswerte Fundstück in diesem Jahrbuche durch
einen auf dem Gebiete der antiken Glastechnik
anerkannten Fachmann eine ausführliche Wür-
digung erhalten werde, und hat unter dieser
Voraussetzung die zugehörige Tafel herstellen
lassen. Da aber den Gedachten leider längere
Krankheit verhinderte, seine Zusage zu erfüllen,
mußte der Unterzeichnete im letzten Augenblicke
zum Ersatz einspringen und folgendes Begfleitwort
zur zugehörigen Tafel aufsetzen.
Der Glasbecher ist Eigentum des kunsthisto-
rischen Hofmuseums in Wien, dem er durch Ver-
mittlung der Zentral-Kommission zum Ankäufe an-
geboten worden ist. Er wurde in einem der römi-
schen Urnengräber, welche Bartholomäus Pecnik
über Auftrag und mit einer Subvention der Zentral-
Kommission auf dem Acker des Anton Kokalj
in Berslin bei Rudolfswert (Krain) im Laufe des
Oktober 1902 aufgedeckt hat, zerdrückt aufgefunden.
Die Mehrzahl der Bruchstücke wurde aufgelesen,
so daß das Glas in allem wesentlichen und nahezu
ganz wieder hergestellt werden konnte.
Es erinnert in seiner Form etwas an ein
griechisches Salbgefäß (Alabastron): es ist ein an-
nähernd zylindrischer, etwa im oberen Drittel bis in
die Mitte ein wenig ausgebauchter, nach unten
leicht sich verjüngender Becher aus weißem,
durchsichtigem, ziemlich dickwangigem Glas ohne
Fuß. Nach unten in einen rundlichen Sack (Kugel-
mütze) endend,1) vermag es nicht ohne besondere
Stütze oder besonderes Gestell aufrecht zu stehen;
er gehört also wahrscheinlich zu jenen Trink-
gefäßen, die vor dem Niederstellen geleert werden
mußten, zu jenem Apparate heiterer Gelage, den
ein antikes Zeugnis rügt als m'vetv ScSaaxouaa

*) Ein rauher Rest am untersten Teile des Bodens ist
beim Abdrehen und Abschleifen des Gußzapfens übrigge-
blieben, lediglich ein Beweis für die flüchtige Herstellung
und die mangelhafte Fürsorge beim Abschleifen.

Tcsptopiarsa eövopfa<; Tjpföv (Clemens Alexandrinus
II 3 p. 188 Potter), „der'mehr zu trinken lehrt als
unser Anstandsgefühl erlauben kann.“ Bei einer
Höhe von fast 24 cm, einem größten Durchmesser
(der äußeren Rundung) von 7-6 cm und einer viel-
leicht 2 mm nirgends außer an den Rundreifen
überschreitenden Wandstärke faßt das Gefäß etwa
o-8i Liter, fast anderthalb Sextarii oder achtzehn
Cyathi, war also, wenn überhaupt ein bestimmtes
Maß bei seiner Herstellung in Aussicht genommen
war, auf das doppelte Maß der Bechergröße be-
rechnet, die in römischer Zeit ein erfahrener Zecher
noch innerhalb der Grenzen des Schicklichen
glaubte:
tribus aut novem
miscentur cyathis pocula commodis.
Qui Musas amat imparis,
ternos ter cyathos attouitus petet
vates; tris prohibet supra
rixarum metuens tangere Gratia
Nudis iuncta sororibus (Horaz Oden III19,11 ff).
Ich möchte aber nicht um dieses — übrigens
viel gebrauchten — Zitats willen den Verdacht
auf mich laden, daß ich der Vorschrift des Horaz
oder seines griechischen Vorläufers einen Einfluß
auf die Trinksitten und die Glasfabrikanten der
Folgezeit zumutete. Der Komment zwang den
Becher bis auf die Neige zu leeren; aber einige
der erhaltenen Trinkschalen und Trinkbecher fassen
sehr viel mehr als ein gewandter Trinker bei
äußerster Anstrengung auf einen Zug zu nehmen
vermöchte, und waren wohl auf ein Zutrinken
(propinare) oder Rundtrinken berechnet. Jedenfalls
gehört auch schon ein Becher von der Größe des
hier behandelten zu den maiora pocula-, er wird
in unserer literarischen Überlieferung, wenigstens
auf römischem Boden, auch nicht von dem Becher
erreicht, den Phryx, ein potor nobilis, bei Martial
VI 88 begehrt: misceri sibi protinus deunces, sed
crebros iubet, der Deunx s. v. a. 11 Cyathi oder
 
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