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A. Rif.gt. Pferdeschmuck aus Westungarn
förmig von einem doppelsträhnigen Flechtband
umzogen. In jedem der vier Arme erscheint
eine einfache Verschlingung zweier dreisträhniger
Bänder mit abgeschnittenen Enden, zwischen zwei
reziproken Z-Säumen. Das Bandwerk zeigt keine
Spur von versuchter Zoomorphisierung; in der
mittleren Scheibe unterscheidet es sich überhaupt
in keiner Weise von den spätantiken Flechtbändern,
wie wir ein solches z. B, auf Mosaiken des VI. Jh.
zu Pola1) (Fig. 228) eine analoge Rosette, wie oben,
einfassen sehen. Ferner wird auch die reziproken
Säume, die uns namentlich von den koptischen
Textilien vertraut sind, niemand für barbarische Er-
findung in Anspruch nehmen wollen. Nur das Band-
Fig. 228 Fragment eines Mosaiks aus der ehemaligen Kirche
Sa. Maria del Canneto zu Pola. VI. Jahrhundert
werk der Kreuzarme mit seinen offenen, brüsk abge-
schnittenen Enden erinnert an ähnliche Motive, die
sich namentlich in Goldfiligran ausgeführt auf den
großen merowingischen Scheibenfibeln des VII.
und VIII. Jh. vorfinden; die Dreisträhnigkeit hin-
gegen begegnet allenthalben an den in Stein
skulpierten Bandverschlingungen, die man in
Italien gewöhnlich für die Longobarden in An-
spruch zu nehmen pflegt, die aber auch außerhalb
Italiens in Frankreich, Spanien, den Balkanländern
anzutreffen sind und vielleicht am treffendsten
ganz allgemein als mittelländische Stilerzeugnisse
angesprochen werden dürfen. In der Folge (etwa
vom Ende des VIII. Jahrhunderts an) sind diese
dreisträhnigen verschlungenen Bänder (ohne Zoo-
morphisierung, aber in Begleitung oströmischen
Pflanzenornaments) auch bei den Südslawen heimisch
geworden, wie unter anderem zahlreiche Funde
in Dalmatien beweisen. Alles in allem wird man
also sagen dürfen, daß die Betrachtung der Fund¬
fl Mitteilungen der Zentralkomm. II. Folge 1902 S. 62.
stücke vom Typus Fig. 1 nicht wesentlich über
den uns von der reiferen altchristlichen Kunst
her vertrauten Kreis hinausführt.
In eine g’anz andere Vorstellungswelt werden
wir durch den Typus Fig. 2 versetzt. Es ist ein
nahezu halbkuglig-er Buckel von 17 cm Höhe,
von dessen Basis vier kurze Kreuzarme ausg’ehen.
Vom abgeplatteten Scheitel ziehen sich zu den
Armen in gleichen Abständen vier plastisch aus-
ladende Bänder herab, die unten in lange spitz-
schnauzige Tierköpfe mit geschlitzten Augen aus-
laufen. Wie schon früher erwähnt wurde, sind
diese Bänder stark abgerieben; an einem glaubt
man aber noch die Spuren einer (tauschierten?) Zick-
zacklinie zu erkennen. Die Mantelfläche des Buckels
erscheint hiedurch in vier annähernd dreieckige
Felder zerlegt, die mit zweierlei alternierenden
Motiven in geschnittener Arbeit ausgefüllt sind.
Wir betrachten zuerst das Feld Fig. 3. Hier
fällt zwar vor allem das dreisträhnige Band auf,
das wir soeben an Fig. 1 ang-etroffen hatten und
das diesmal sogar in einer ähnlichen einfachen
Verkreuzung wiederkehrt; aber es ist hier nicht
mehr bloßes Band geblieben, sondern mit Gliedern
von Lebewesen in Verbindung gesetzt worden.
Wo die beiden Bänder oben umbiegen, schließt
sich beiderseits unmittelbar daran je ein abwärts
gerichteter Kopf, der sich namentlich durch das
nachdrücklich betonte Auge verrät. Das untere
Ende jedes Bandes trifft mit dem Kopfe dort zu-
sammen, wo man die Schnauze erwarten möchte
und in der Tat könnten die Querlinien, die wir
dort bemerken, auf eine solche gedeutet werden.
Wahrscheinlicher ist es aber, daß die keulenförmige
Fortsetzung nach der Ecke hin als Schenkel ge-
meint ist, an den sich ein langer linear gezeichneter
Fuß mit Afterzehe anschließt; die gerade ausge-
streckten Zehen der beiderseitigen Füße kreuzen
einander in der Mitte. Der obere Winkel deS Dreiecks
endlich ist mit zwei ähnlichen linearen Gebilden
ausgefüllt, die beiderseits vom Hinterhaupte aus-
zugehen scheinen und daher auch als Schopf ge-
deutet werden können.') Sicher ist, daß dem Ar-
fl Die „nordische“ Ornamentik besinnt sich übrigens
auch nicht, gelegentlich ein Bein mit Krallenfuß vom Kopfe
ausgehen zu lassen, wofür ein Beispiel bei Sophus Müt.t.er-
Jiriczek (Nordische Altertumskunde II. Seite 214, Fig. 135)
das auch den dreisträhnigen Bandkörper mit unserer Tier-
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A. Rif.gt. Pferdeschmuck aus Westungarn
förmig von einem doppelsträhnigen Flechtband
umzogen. In jedem der vier Arme erscheint
eine einfache Verschlingung zweier dreisträhniger
Bänder mit abgeschnittenen Enden, zwischen zwei
reziproken Z-Säumen. Das Bandwerk zeigt keine
Spur von versuchter Zoomorphisierung; in der
mittleren Scheibe unterscheidet es sich überhaupt
in keiner Weise von den spätantiken Flechtbändern,
wie wir ein solches z. B, auf Mosaiken des VI. Jh.
zu Pola1) (Fig. 228) eine analoge Rosette, wie oben,
einfassen sehen. Ferner wird auch die reziproken
Säume, die uns namentlich von den koptischen
Textilien vertraut sind, niemand für barbarische Er-
findung in Anspruch nehmen wollen. Nur das Band-
Fig. 228 Fragment eines Mosaiks aus der ehemaligen Kirche
Sa. Maria del Canneto zu Pola. VI. Jahrhundert
werk der Kreuzarme mit seinen offenen, brüsk abge-
schnittenen Enden erinnert an ähnliche Motive, die
sich namentlich in Goldfiligran ausgeführt auf den
großen merowingischen Scheibenfibeln des VII.
und VIII. Jh. vorfinden; die Dreisträhnigkeit hin-
gegen begegnet allenthalben an den in Stein
skulpierten Bandverschlingungen, die man in
Italien gewöhnlich für die Longobarden in An-
spruch zu nehmen pflegt, die aber auch außerhalb
Italiens in Frankreich, Spanien, den Balkanländern
anzutreffen sind und vielleicht am treffendsten
ganz allgemein als mittelländische Stilerzeugnisse
angesprochen werden dürfen. In der Folge (etwa
vom Ende des VIII. Jahrhunderts an) sind diese
dreisträhnigen verschlungenen Bänder (ohne Zoo-
morphisierung, aber in Begleitung oströmischen
Pflanzenornaments) auch bei den Südslawen heimisch
geworden, wie unter anderem zahlreiche Funde
in Dalmatien beweisen. Alles in allem wird man
also sagen dürfen, daß die Betrachtung der Fund¬
fl Mitteilungen der Zentralkomm. II. Folge 1902 S. 62.
stücke vom Typus Fig. 1 nicht wesentlich über
den uns von der reiferen altchristlichen Kunst
her vertrauten Kreis hinausführt.
In eine g’anz andere Vorstellungswelt werden
wir durch den Typus Fig. 2 versetzt. Es ist ein
nahezu halbkuglig-er Buckel von 17 cm Höhe,
von dessen Basis vier kurze Kreuzarme ausg’ehen.
Vom abgeplatteten Scheitel ziehen sich zu den
Armen in gleichen Abständen vier plastisch aus-
ladende Bänder herab, die unten in lange spitz-
schnauzige Tierköpfe mit geschlitzten Augen aus-
laufen. Wie schon früher erwähnt wurde, sind
diese Bänder stark abgerieben; an einem glaubt
man aber noch die Spuren einer (tauschierten?) Zick-
zacklinie zu erkennen. Die Mantelfläche des Buckels
erscheint hiedurch in vier annähernd dreieckige
Felder zerlegt, die mit zweierlei alternierenden
Motiven in geschnittener Arbeit ausgefüllt sind.
Wir betrachten zuerst das Feld Fig. 3. Hier
fällt zwar vor allem das dreisträhnige Band auf,
das wir soeben an Fig. 1 ang-etroffen hatten und
das diesmal sogar in einer ähnlichen einfachen
Verkreuzung wiederkehrt; aber es ist hier nicht
mehr bloßes Band geblieben, sondern mit Gliedern
von Lebewesen in Verbindung gesetzt worden.
Wo die beiden Bänder oben umbiegen, schließt
sich beiderseits unmittelbar daran je ein abwärts
gerichteter Kopf, der sich namentlich durch das
nachdrücklich betonte Auge verrät. Das untere
Ende jedes Bandes trifft mit dem Kopfe dort zu-
sammen, wo man die Schnauze erwarten möchte
und in der Tat könnten die Querlinien, die wir
dort bemerken, auf eine solche gedeutet werden.
Wahrscheinlicher ist es aber, daß die keulenförmige
Fortsetzung nach der Ecke hin als Schenkel ge-
meint ist, an den sich ein langer linear gezeichneter
Fuß mit Afterzehe anschließt; die gerade ausge-
streckten Zehen der beiderseitigen Füße kreuzen
einander in der Mitte. Der obere Winkel deS Dreiecks
endlich ist mit zwei ähnlichen linearen Gebilden
ausgefüllt, die beiderseits vom Hinterhaupte aus-
zugehen scheinen und daher auch als Schopf ge-
deutet werden können.') Sicher ist, daß dem Ar-
fl Die „nordische“ Ornamentik besinnt sich übrigens
auch nicht, gelegentlich ein Bein mit Krallenfuß vom Kopfe
ausgehen zu lassen, wofür ein Beispiel bei Sophus Müt.t.er-
Jiriczek (Nordische Altertumskunde II. Seite 214, Fig. 135)
das auch den dreisträhnigen Bandkörper mit unserer Tier-
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