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Österreich / Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale [Editor]
Jahrbuch der K. K. Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale — NF. 1.1903

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Riegl, Alois: Pferdeschmuck aus Westungarn
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https://doi.org/10.11588/diglit.47868#0152
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A. Riegl Pferdeschniuck aus Westungarn

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wesen war; Fig. 229, wenn auch nicht in Ungarn
gefunden, mag dafür als Beispiel dienen. Jene
andere Tierornamentik hingegen verwendet mit
Vorliebe nicht geschlossene animalische Individuen,
sondern einzelne Gliedmaßen, insbesondere Köpfe
und Füße. Es handelt sich somit da und dort um
eine grundverschiedene kunstschaffende Phantasie:
dem mittelländischen Spätrömer wäre wohl selbst
noch in der Zeit Justinians der Anblick einer
abgehackten Hand als Ornament unverständlich,
ja mißfällig erschienen, während umgekehrt die
Schöpfer jener anderen Ornamentik durch den An-
blick eines allseits geschlossenen Individuums keine
künstlerische Befriedigung erfahren hätten.


Fig. 230 Beschläg einer Goldschnalle,
unvollkommen gegossen. Gefunden in Albanien.
VII. Jh.

Erst kürzlich wurde von mir1) der Versuch
unternommen, die Denkmale der soeben erwähnten
Pflanzenornamentik, von denen bisher die meisten
in ungarländischen Gräbern gefunden wurden,
einem g’rößeren Kreise einzuordnen, den ich frei-
lich nicht genauer zu bezeichnen wußte, als durch
das nach den östlichen Mittelmeerländern weisende
Wort „oströmisch“. Für griechischen Ursprung
spricht schon die Tatsache, daß diese Ranken-
ornamentik einerseits unmittelbar von der klas-
sischen herkommt, anderseits die ebenso unmittel-
bare Vorstufe zur Arabeske bildet. Die Fund-
statistik erhebt dagegen mindestens keinen Wider-
spruch, denn die Fundgebiete lassen sich sämtlich
ohne Schwierigkeit in die oströmische Einfluß-
r) In den „Oströmischen Beiträgen“, erschienen in den
„Beiträgen zur Kunstgeschichte, Franz Wickhoff gewidmet.“

sphäre einordnen, während nach dem Westen
(Süddeutschland, Rheinland, Nordfrankreich, Eng-
land) nur einzelne, wohl durch den Zufall ver-
sprengte Exemplare gelangt sind, nach dem skan-
dinavischen Norden, der jene eigenartige Tier-
ornamentik am entschiedensten vorgezogen hat,
kaum eines verschlagen wurde. Daß auf dem in
engerem Sinne oströmischen Boden, namentlich
auf der Balkanhalbinsel, bisher nur wenige ein-
schlägige Sachen zutage gekommen sind, habe
ich a. a. O. aus natürlichen Ursachen zu erklären
gesucht. Immerhin freue ich mich, in Fig. 229 bis
232 mehrere Goldsachen zur Abbildung bringen zu


Fig. 231 Goldschnalle gefunden
in Albanien. VII. Jh.

können, die nach schlechterdings zuverlässigem
Zeugnis kürzlich zu Tirana in Albanien gefunden
wurden und zur näheren Untersuchung und Be-
stimmung an das kais. Hofmuseum gelangt sind.
Sämtliche Objekte haben ihre genauesten Parallelen
in ungarischen Fundsachen;1) ihre Bedeutung ruht
somit in dem Umstande, daß die Ausdehnung des
Denkmalkreises, in welchen sie gehören, hiemit
über Salona hinaus, woher wir schon früher Zeug'-
nisse dafür besaßen, tiefer in die Balkanhalbinsel
hinein nachgewiesen erscheint.2)
9 Für Fig. 229 vgl. z. B. Hampel I. 73, 7; 74, 9, 10, 12.
Für Fig. 230 Hampel I. 90, 3. Für das Ornament der
Schnalle Fig. 231 vgl. die Riemenzunge bei Hampel I. 78, 3.
Für Fig. 232 die Riemenzungen I. 64, 3; 90, 1 u. v. a.
J) Der Fund von Tirana enthält zwei unvollkommen
gegossene Stücke, wovon eines in Fig. 230 wiedergegeben
 
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