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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 5.1890

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Meier, Paul J.: Zur Eubuleusbüste des Praxiteles
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https://doi.org/10.11588/diglit.37651#0219
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Meier, Eubuleusbüste des Praxiteles.

21 I

Ganz frei von Bedenken scheint auch eine dritte Vermuthung nicht zu sein,
dafs nämlich die Eubuleusbüste weder in einen vollständigen Rumpf noch in eine
Altarplatte, sondern in eine Herme eingelassen gewesen sei. Allerdings würde bei
dieser Annahme, auf die schon das Vorhandensein der vatikanischen Herme mit
der Inschrift EußouXsuc Flpaci-sXouc hinführen konnte, sowohl der Gegensatz in der
Gewandbehandlung, wie ihn Heydemanns Ansicht einschliefst, als das Herausstehen
der roh bearbeiteten Büste, wie es Furtwänglers Vermuthung mit sich bringt, ver-
mieden werden. Aber auch so würde der Übergang von der Büste zur Herme
kein glatter sein, und vor allem der Anstofs, den Heydemann mit Recht an dem
Unterschied zwischen dem sehr oberflächlich ausgeführten Gewand und besonders
dem geradezu raffinirt durchgearbeiteten Haar nahm, in seiner ganzen Schwere
bestehen bleiben. Selbst die Annahme von Bemalung, wie sie Benndorf vermuthet,
ohne jedoch, wie es scheint, durch Farbspuren dazu veranlafst zu sein, würde uns
nicht viel helfen.
Nach reiflicher Überlegung, wie ich wohl am besten den Abgufs der Büste
aufstellen könnte, hat sich mir nur ein Ausweg aus diesem Labyrinth von Schwie-
rigkeiten gezeigt, auf den schon Benndorf (Antike Denkmäler I. 1888 S. 31) flüchtig
hingewiesen hatte, und praktische Versuche haben mir bestätigt, dafs das Betreten
desselben den Kopf zu prächtigster Wirkung gelangen läfst. Die Büste safs wirk-
lich auf einer Herme, die sowohl die Kürze der rechten Schulter, als die Unregel-
mäfsigkeit der Rückseite ausglich, aber das nur oberflächlich angelegte Gewand
und der Übergang zu der Herme selbst war durch ein wirkliches, in schönen Falten
herumgeiegtes Gewand verdeckt. Und dafs man in der That Hermen ebensogut,
wie alte Götterbilder mit wirklicher Kleidung versah, ergiebt sich aus den bei
Böttiger, Baumkultus der Hellenen Taf. 15. 16. zusammengestellten Vasen, welche
die Schmückung einer Dionysosherme darstellen.
Ich schliefse diesen Bemerkungen noch einige weitere Beobachtungen an.
Die Wiedergabe des Kopfes in den Antiken Denkmälern I. 1888 Taf. 34 und in der
’E'f/jUcpR dp/atoXo'i'r/Tj 1886 Taf. 10 giebt denselben genau von vorn, so dafs wegen der
Wendung des Kopfes nach der linken Schulter die Brust schräg in das Bild hinein-
läuft. Die Wiedergabe in Brunns Denkmälern griechischer und römischer Skulptur
Nr. 74 und im Hallischen Winckelmannsprogramm dagegen läfst den Blick des Be-
schauers senkrecht auf die Brust fallen. Die letztere Aufnahme ist unbedingt vor-
zuziehen. Es ist schon längst beobachtet, dafs Praxiteles für die meisten seiner
Figuren einen ganz bestimmten Standpunkt des Beschauers voraussetzt. Paul Wol-
ters freilich irrt, wenn er meint, der Kopf des Hermes müfste grade von vorn ge-
sehen werden; vielmehr ist, wie ich glaube, die Dreiviertelansicht das Richtige, und
demgemäfs müfste die viereckige Sockelplatte der Berliner Abgüsse etwas gedreht
werden. Jedenfalls fällt es bei dieser Stellung, und wenn man zugleich den richtigen
Sehwinkel trifft, sehr viel weniger auf, dafs das Auge des Gottes in Wirklichkeit
nicht auf seinen kleinen Pflegling gerichtet ist. Derselbe Standpunkt ist auch beim
Apollon Sauroktonos, dem ausruhenden Satyr, in gewisser Beziehung auch bei der
 
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