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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 20.1905

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Assmann, Ernst: Das Schiff von Delphi
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https://doi.org/10.11588/diglit.47181#0042
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Aßmann, Das Schiff von Delphi.

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und zweiten Jahrtausend v. Chr., einige alte Terrakotten und Malereien aus Cypern,
phoinikische Münzen und schwarzfigurige Vasenbilder sowie die prora von Samothrake
zeigen, während die Mehrzahl der Kriegsschiffsbilder des Altertums auch am Bug
eine geradlinig wagerechte Durchführung der Bauglieder aufweist. Die Spornspitze
liegt auf gleicher Höhe mit dem Unterrand der zwischen den Pferdebeinen rechts
sichtbaren Rojepforte, welche sich ihrerseits natürlich mehrere (etwa fünf) Dezimeter
über dem Wasserspiegel befinden mußte. Es wird also die Vorstellung erweckt, daß
die Ramme über dem Wasser schwebte oder dasselbe höchstens streifte, keinesfalls
von demselben bedeckt wurde, wenn wir auch bei dieser ziemlich geschickten Bild-
hauerarbeit nicht die Genauigkeit eines Aufrisses von Ingenieurhand erwarten dürfen
und demgemäß für die Wirklichkeit eine etwas niedrigere Lage der Ramme gegenüber
den Pforten zuzugestehen geneigt sind. Die Erkenntnis von der großen Bedeutung,
von der Bevorzugung des Oberwassersporns im Altertum wurde anfänglich nur durch
Admiral Serre und mich (Baumeister, Denkmäler 1613; Berliner Philol. Wochenschr.
1891, 1146) verfochten, hat sich aber längst Bahn gebrochen. Die Bildung der
Ramme ist hier eine schlichtere, kräftigere, bessere als im Typus der attischen
schwarzfigurigen Vasenbilder, welche zeitlich dem Schiffe von Delphi recht nahe
stehen; es fehlt die Spielerei mit der Nachbildung eines Wildschweinskopfes, die
unpraktische Verlängerung und Verdünnung des Sporns zu einem schnauzenartigen
Vorsprung, \velcher dem Gegner nur kleinere Verletzungen beibrachte und selbst
mit Leichtigkeit abbrach. Das ganze Vorschiff geht gewissermaßen in der Ramme
auf, deren Spitze durch die spitzwinklige Vereinigung von Kiel und Vordersteven
entsteht. Diese Form kehrt ganz ähnlich an vielen unserer heutigen Kriegsschiffe
wieder. Bedenkt man noch, daß dem Delphi-Schiffe der Sikyonier jenes hohe, kasten-
artige Vorderkastell (Back) fehlt, welches sich auf den Vasenbildern steil über der
Wurzel des Sporns auftürmt, so fühlt man sich an das erinnert, was Thukydides
8,36.40 und Diodor 13,10 von der Überlegenheit des kurzen, massiven, niedrigen
Rammbugs der Korinther über den langen, schwachen, hohlen und hohen der Athener
berichten. Es scheint, daß uns hier ein peloponnesischer Kriegsschiffstypus vorliegt.
Das Bild ward ja auch von Sikyon aus geschaffen und in korinthischem Poros her-
gestellt, welcher, wie mir Herr Pomtow freundlichst mitteilte, in der Zeit von 550
bis 520 v. Chr. als Baustoff in Delphi diente. Für die Annahme einer Metallkappe,
eines Bronzebeschlages am Sporn bietet das Bild keinerlei Anhalt. Besser als das
Auge erkennt der fühlende Finger inmitten des Sporns eine Firstlinie, von welcher
die Flächen nach oben wie nach unten absinken, ähnlich etwa der Mittellinie eines
zweischneidigen Schwertes. Auf den ersten Blick vermißt man das am griechisch-
römischen Kriegsschiffe fast unentbehrliche Auge. Dachte der Künstler es sich
verdeckt durch das Pferd oder trugen die hellenischen Schiffe gegen Mitte des
6. Jahrhunderts diesen Zierat, dieses Symbol (den althergebrachten Irrtum von einer
Ankerklüse sollte man endlich wegwerfen) nicht allgemein? Eine Antwort ist nicht
gut möglich. Die trotz der Niedrigkeit des Rumpfes sehr zahlreichen Leisten deuten
auf eine Sorgfalt in der Verstärkung des Längsverbandes und in der Sicherung der
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