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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 20.1905

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Nr. 2
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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Der Leichenwagen Alexanders des Grossen
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https://doi.org/10.11588/diglit.47181#0114
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von Wilamowitz-Möllendorff, Der Leichenwagen Alexanders des Großen.

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und die Athener σκηνή nennen. Nichts ist einfacher, als daß das technische Wort
den Oberteil der Kutsche im Unterschiede von dem Unterteile, Achsen und Rädern,
bezeichnete; selbstverständlich ist die Decke die wesentlichste »Sicherung«; aber
den Achsen gegenüber ist der Boden die καμάρα. Ebenso natürlich ist es, daß der
tote Alexander in einer Kutsche nach Memphis fuhr, wie es die lebenden Könige
getan hatten. Die Umkleidung mit prächtigem Materiale und hellenischen Schmuck-
formen änderte den Aufbau der καμάρα nicht, die von dem Gebrauche des Lebens
gegeben war.
Ein Reisewagen wird aus Holz und Leder bestehen; er wird eine viereckige
Decke haben, in der Mitte etwas höher gespannt, daß der Regen ablaufen kann,
auf festen Stützen ruhend; die Seitenwände werden irgendwie ausgefüllt sein, mit
großen Lederflächen oder Zeugstücken, wenn man sich ganz gegen Regen und Wind
schützen will, sonst irgendwie der Luft und dem Lichte Zugang gestattend. Daß
der Boden durch aufsitzende Bretter zu einem Kasten gemacht wird, ist sehr gut
möglich, aber, wie unsere bedeckten Lastwagen zeigen, gar nicht notwendig. Im
ganzen genügt die Betrachtung eines Wagens, wie er in Berlin Kremser heißt, oder
eines Planwagens, zum Verständnis des Hieronymos.
Das Dach war mit goldenen Schuppen belegt: damit ist keineswegs ein
Giebeldach oder ein Gewölbe gegeben; Wagendächer pflegen keine Giebel zu haben,
und so dieses sicherlich. Denn »ringsherum lief eine viereckige Randleiste aus Gold
mit den vorspringenden Vorderteilen7 von Tragelaphen; die hielten Ringe im Maule,
durch die bunte Schnüre liefen mit Troddeln und Klingeln daran«. Die Randleiste,
θριγκός, hat Wachsmuth durch eine vorzügliche Verbesserung aus dem sinnlosen
θρόνος gewonnen. Das Wort sagt nichts über das Aussehen dieses Gliedes; aber
das Lederdach der Kutsche muß seinen Rahmen haben, und dieser muß mit den
Stützen in Verbindung gebracht werden. Hier, wo alles mit Goldblech bekleidetes
Holz ist, haben die Schnüre nur noch ornamentale Bedeutung; aber man braucht
sich nur die Reisekutsche der Lebenden vorzustellen, um zu erkennen, daß sie dort
die Lederklappen oder die Schnüre, oder was es sonst war, der Seitendeckung
hielten und zogen. Die Stützen waren hier als ionische Säulen gestaltet; wie viele,
wird nicht gesagt, da ihre Summe aber Peristyl heißt, ist die Annahme Müllers
ansprechend, daß es vorn vier, an den Seiten sechs waren.
»Innerhalb des Peristyls war ein goldenes Netz von zollstarken Schnüren,
mit vier goldenen Relieftafeln, entsprechend den vier Wänden (folgt Beschreibung
der Reliefs). Vor dem Eingänge in die Kamara standen zwei Löwen, zwischen
jeder Säule ein Akanthos, der bis an das Kapitell reichte.«
Ein Netz ist kein Stabwerk (δρύφακτος), wie es Müller zeichnet8, sondern

7) προτομαί sind keine Köpfe, sondern Kopf, Brust,
Vorderbeine; es gibt ja deren genug auch in
der hellenistischen Terrakotta, und der Stier am
Himmel ist eine προτομή. Da es προτομαί
sind, bedeuten sie auch keine Wasserspeier; es

speit sich auch schlecht mit einem Ringe im
Maule.
s) Er gibt aus eigener Machtvollkommenheit vier
kräftige Eckpfeiler und Gebälk über ihnen zu,
macht die Reliefs zu einem Cellafries, der auf
 
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