Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsches Archäologisches Institut [Editor]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Editor]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 20.1905

DOI issue:
Nr. 2
DOI article:
Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Der Leichenwagen Alexanders des Grossen
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47181#0116
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
von Wilamowitz-Möllendorfif, Der Leichenwagen Alexanders des Großen.

107

verwandelt; sie entstammt einem Schreibfehler. Es war eine χοινικίς. Das muß
jedem einleuchten, der Demosthenes gegen Androtion 72 (— Timokrat. 180) heran-
zieht. Da heißt es von Inschriften unter geweihten Goldkränzen ύπδ των στεφάνων
ταΐς χοινικίσιν κάτωθεν γεγραμμένν. Mit dem Diminutiv von χοΐνις, Scheffel, bezeichnen
die Griechen überhaupt einen Zylinder oder eine Röhre, wenn man so lieber sagen
will10. Für die Aufstellung der Kränze brauchte man ein rundes Untergestell, damit
sie sich so präsentierten, wie sie auf dem Kopfe saßen. Alexander führt den Kranz
als Ehrenzeichen, wie ihn so viele in das Grab mitgenommen haben. Der Wagen
ruhte nur auf zwei Achsen, hatte also nur vier Räder. Aus der Beschreibung ihres
Schmuckes sei nur hervorgehoben, daß die Nabe durch die Protome eines Löwen
gebildet wurde, mit einem Spieß im Maule: dieser Spieß ist ornamentaler Ersatz
für den Pflock, der sonst den Achsenkopf in der Nabe befestigt. »In der Mitte der
Achse war ein πόλος angebracht, der mit einer besonderen mechanischen Vorrichtung
in die καμάρα eingriff und bewirkte, daß das Obergestell auf unebenem Boden nicht
ins Schwanken geriet.« Offenbar balancierte es auf diesem πόλος. Das vieldeutige
Wort11 bezeichnet dasjenige περί δ πολεϊται ή καμάρα. Das kann an sich sowohl ein
Punkt, ein Pol, wie eine Linie, eine längsgestellte Achse sein (was mir wahrschein-
licher ist). Es ist begreiflich, daß Hieronymos die Mechanik nicht erklärte, obwohl
hier das dem Wagenbauer Interessanteste liegt.
»Die Zugtiere waren an vier Deichseln angespannt, vier ζεύγη hintereinander,
jedes ζεύγος aus vieren bestehend, also in Summa 64.« Die Worte sind gar nicht
mißzuverstehen und der Ausdruck ist ganz untadelhaft12: den Text so lange zu
foltern, bis statt 64 32 herauskommt, ist eine Willkür, die ich nicht qualifizieren
will. Wenn die Spurbreite des Wagens etwa neun Ellen war, so reichte keine
Chaussee: deshalb gingen ja Sappeurs mit. Wenn sie doch einen Weg erst anlegen
mußten, so konnten sie es auch für die Breite tun, die 16 Maultiere nebeneinander
brauchen, und die Geleitmannschaften neben ihnen noch dazu. Die Bespannung
macht gar keine Schwierigkeiten: das Querholz, von dem die vier Deichseln aus-
laufen, kann man sich beliebig lang konstruieren. Vor allem aber: das sagt nun
einmal Hieronymos.
Die Pracht der Ausstattung und die technische Konstruktion des schweren
Gefährtes hat zwei Jahre Arbeit gefordert; die Aufgabe war, dem Könige die Reise-
kutsche für seinen letzten Weg zu schaffen, nicht den Sarg in ein tragbares Heilig-
tum, Tempel oder Grab, zu stellen und dieses dann zu transportieren. Nur die
Kutsche ist orientalisch, sie hat der hellenische Künstler in seiner Weise stilisiert.

10) In den Rechnungen von Eleusis erscheinen sie
nach dem Gewichte gekauft als Hülsen, in denen
sich die Türzapfen drehen. Dittenberger, Syll.
587, 202. Entsprechend bei den Technikern,
z. B. in Herons Dioptra II, 190 Schöne u. ö.
n) Über die Geschichte von πόλος handelt umfassend
und belehrend, immer noch nicht erschöpfend
E. Maass, Aratea 130ff.

12) Den Begriff ζεύγος erläutert der Zusatz τεττα'ρων
ήμιόνων έκάστωι ζεύγει προσδεδεμένων. Es ist
nichts als unzureichende Sprachkenntnis, daran
anzustoßen; ζεύγος wird nun einmal gebraucht,
einerlei, wie viel Zugtiere zusammengespannt
sind. Pollux X, 53 ζεύγος παν αν καλοΐτο τό
έζευγμένον και εί τριών υποζυγίων ή και τεττάρων είή.
 
Annotationen