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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 20.1905

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Nr. 2
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Goepel, Max: Zum betenden Knaben und zur springenden Amazone
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https://doi.org/10.11588/diglit.47181#0119
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I IO

Goepel, Zum betenden Knaben und zur springenden Amazone.

ein vorzüglicher Spieler dargestellt werden sollte, würde der wohl mit beiden
Händen einen kleinen Ball fangen wollen? Er würde gewiß dargestellt sein, wie er
mit einer Hand, womöglich mit der linken, den Ball fängt. Die Bronzestatue aus
dem Funde von Antikythera, die wohl einen Ballspieler darstellen wird, hat eine
so ganz andere Haltung, daß sie nicht zum Vergleiche herangezogen werden kann.
Ganz anders ist auch die Haltung der Arme auf der Photographie, die
Henry Lechat in der Revue Archeologique 1903, p. 205 — 210 veröffentlicht und
besprochen hat. Das Bildwerk — es ist eine Stele — deutet Lechat auf einen
jungen siegreichen gymnastischen Wettkämpfer, der ein Gebet in bezug auf seinen
Sieg an eine Gottheit richtet, und er bringt es in Beziehung zu der von Furtwängler
veröffentlichten Gemme (Arch. Jahrbuch I, 1886, S. 217) und damit zu unserm »Betenden
Knaben«. Aber diese Beziehung erscheint doch zweifelhaft; denn auf Lechats Photo-
graphie ist über dem Kopf und auf beiden Seiten des Körpers eine Girlande sichtbar.
Ich darf hier wohl eine Vermutung von Herrn Dr. Alfred Brückner erwähnen, wonach
diese ‘gründe guir lande pose'e sur le haut de la tete* nicht auf dem Kopf liegt —
Lechat setzt sie der infula der Römer gleich —, sondern von dem Jüngling in den
Händen gehalten wird, die zugleich zum Gebet geöffnet sind.
Doch noch ein Wort zu dem Adoranten. Wo soll der zu fangende Ball
sich befinden? soll er in der Luft schwebend gedacht werden? Mau vermutet als
Pendant einen Knaben, der den Ball wirft. Die Bedenken gegen beide Annahmen
hat Furwängler in der Beilage zur Augsburger Allgemeinen Zeitung (1903 S. 581)
überzeugend dargelegt. Mit meiner heutigen Aufgabe hat diese Frage auch nichts
zu tun. Mir kam es ja darauf an, ob wohl der Adorant vom technischen Stand-
punkt aus als Ballfänger angesehen werden kann — ich denke: nein.
Ich wende mich nun zu der Betrachtung des oben genannten Typus von
Amazonen und will auch hier die Frage beantworten, ob man, wenn man die Technik
des Stabsprungs kennt, der Deutung auf eine Stabspringerin wird zustimmen können.
Die auf folgender Seite beigegebene Abbildung ist nach dem im Berliner Museum
befindlichen Gipsabguß des kapitolinischen Exemplar angefertigt.
Das, was wir unter dem großen Köcher sehen, ist der Überrest eines Bogens,
wie an der in Trier befindlichen Replik deutlich zu sehen ist. Was die Amazone
in der linken Hand hält, kann also kein Bogen sein; das ist eine falsche Ergänzung.
Der Teil des Werkzeugs, der antik ist, etwa vom Handgelenk bis zum Ansatz der
Finger, ist gerade und von rundem oder fast rundem Querschnitt. Die Richtung
weist genau auf die Schulter hin, und dort findet sich ein kleiner, rechteckiger,
dunkler Fleck, der wohl von einer Verbindungsstütze herrührt, vielleicht auch von
dem langen Gegenstände selbst, den die Amazone in der Hand hielt. Einen solchen
sehen wir auch auf einer jetzt verschollenen, aber von Natter abgebildeten Gemme,
die denselben Typus der Amazone darstellt.
Ich betrachte nun zuerst den linken Arm und die linke Hand. Die Haltung
ist gesichert. In der Beschreibung bei Michaelis und bei Helbig in seinem Führer
 
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