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Deutsches Archäologisches Institut [Editor]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Editor]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 20.1905

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Nr. 2
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Goepel, Max: Zum betenden Knaben und zur springenden Amazone
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https://doi.org/10.11588/diglit.47181#0120
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Goepel, Zum betenden Knaben und zur springenden Amazone.

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durch die öffentlichen Sammlungen klassischer Altertümer in Rom (I, S. 130—133)
findet sich in bezug auf die Ergänzung der linken Hand eine kleine Abweichung;
Herr Dr. Amelung in Rom hat mir brieflich mitgeteilt, daß die Spitze des Daumens,
der Zeige-, Mittel- und kleine Finger ergänzt seien, daß aber keiner dieser Finger
ursprünglich anders gelegen haben könne. Da im übrigen die Hand antik ist, wissen
wir also, wie sie den Stab oder, vorsichtiger ausgedrückt, den langen Gegenstand
gehalten hat, und ich behaupte nun, daß sie sich bei
dieser Haltung nicht so auf den Stab stützen kann,
wie man das bei einem Stabsprunge tun muß. Der
Daumen ist insofern richtig, als er vorn liegt und
ausgestreckt ist; die anderen vier Finger müßten
gebogen sein und den Stab umfassen. Das tun aber
nur der vierte und der fünfte Finger, Zeige- und
Mittelfinger sind fast gestreckt. Wenn man auch
diese fest um den Stab legt, wird die ganze Hand
und damit natürlich auch der Daumen weiter nach
außen gedreht. Auch der Unterarm macht die Drehung
mit, so zwar, daß das Ellbogengelenk in die Nähe
der Hüfte kommt. Um zu motivieren, daß die linke
Hand offenbar nicht fest zupackt, nimmt Michaelis
an, daß die Amazone den Stab durch die Finger
der linken Hand gleiten lasse; auch Helbig drückt
sich ähnlich aus »wie probierend«. Ein geübter Stab¬
springer hat ein solches Probieren nicht nötig; natür¬
lich sieht er sich seinen Stab an, um ihn an der
richtigen Stelle zu fassen, aber dann sieht er eben
wirklich hin, und das tut die Amazone nicht.
Was den rechten Arm anbetrifft, so ist der
in keiner Replik antik, die Reste der Schulter
führen nach Michaelis »auf eine straff emporge¬
streckte Haltung des Armes«. Ergänzt ist der Arm
so, daß der Daumen der Hand unten, der kleine
Finger oben liegt. Bei dieser Haltung ist aber ein Stabsprung, bei dem man mit
der rechten Hand am Stabe hängt, unmöglich; der Daumen muß oben sein, und
so ist es auch auf der erwähnten Gemme. Im übrigen gilt das, was ich zu sagen
habe, auch von dieser; nach ihr hat sich auch Michaelis in der Nachbildung des
Typus, die er gibt, in bezug auf die Haltung der rechten Hand gerichtet.
Heutzutage macht man den Stabsprung gewöhnlich mit Anlauf, sogar mit
starkem Anlauf. Die Amazone würde aus dem Stande springen, aber ein ausgiebiger
Sprung ist dann kaum denkbar, weder in die Weite noch in die Höhe. Helbig
meint, es sei ein ungewöhnlicher Sprung gewesen, vielleicht eine mythische, uns
verloren gegangene Überlieferung. Dagegen spricht, daß die Amazone ohne Anlauf
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