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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 20.1905

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Nr. 4
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Six, Jan: Apelles
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https://doi.org/10.11588/diglit.47181#0182
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Six, Apelles. 173

Das Schema der Rückenansicht, das auch nicht erst von Apelles erfunden,
sondern nur mit großem Geschick auf eine sehr kräftige und kurz gebaute Gestalt
angewendet wurde, ist später, besonders in der italienischen Renaissance, mehr für
weibliche Figuren verwendet worden, bei denen ja diese Ansicht besonders schön
den Nackenansatz hervortreten läßt. Heutzutage ist es — sehr mit Recht — eine
Lieblingspose der Photographen für Damenporträts in Abendtoiletten.
Wie viele Schwierigkeiten dennoch diese Pose dem Künstler bereitet, habe
ich in nächster Nähe gesehen, als ein Maler, durch eine sehr gelungene photo-
graphische Aufnahme angeregt, ein Damenbildnis in dieser Weise zu malen anfing,
es aber so nicht durchzuführen vermochte.
Wenn wir aber zu Rom in einem dem Apelles zugeschriebenen Werke dieses
Schema finden, so haben wir die Frage aufzuwerfen, ob in einem der beiden oben
genannten Gemälde eine Kopie nach Apelles vorliege. In dem Nessosbilde steht
Herakles nach rechts hin, uns den Rücken zeigend, den Kopf in Profil. Schwierig
ist hier das Schema kaum zu nennen. Und weiter finde ich nichts, was an Apelles
zu denken Veranlassung geben oder es verhindern könnte.
Wohl im herkulanensischen Telephosbilde. Nicht breiter sieht man den
Rücken des nach links gekehrten Herakles, aber der Eindruck der Rückenansicht
tritt stärker hervor, indem die rechte Hand auf dem Rücken liegt, und trotzdem
sieht man vom Kopf die beiden Augen und hat nun beinahe volle Dreiviertelansicht.
So ist das Problem allerdings schwer zu einer glücklichen Vollendung zu bringen,
und es hat der Stempelschneider, der in einem Medaillon des Antoninus Pius19 im
Auszug dieselbe Darstellung wiedergegeben hat, sich wohlweislich gehütet, sich
darin zu versuchen, sondern seinen Herakles ganz einfach in Profil gestellt. Ja, ich
kann mir den Verdacht nicht verwehren, daß auch in dem herkulanensischen Bilde
diese Figur gerade jene Anmut eingebüßt haben wird, die dem Werke des Meisters
seinen Reiz und seinen Ruhm verschaffte.
Haben wir aber weitere Gründe, das Original des herkulanensischen Pracht-
werkes dem Apelles zuzuschreiben?
Ganz sichere Beweise fehlen freilich und sind auch wohl kaum beizubringen,
so lange nicht sonst ein Werk des Meisters in Wiederholungen gefunden wird.
Mehreres scheint mir aber doch für den großen Ephesier zu sprechen.
Zunächst sei bemerkt, daß dieses Gemälde, abweichend von den meisten
anderen aus den kampanischen Städten, noch nicht die Umarbeitung zu einer figu-
ralen Gruppe in landschaftlicher Umgebung erfahren hat, wie es Loeschcke20 für
die Tötung der Medusa nachgewiesen hat; wir haben also eine viel größere Wahr-
scheinlichkeit als sonst, hier eine ungefähr zuverlässige Kopie eines älteren Werkes
zu besitzen.
Es kennzeichnet sich ferner die Komposition sowohl durch ihre Gedrängtheit,
als auch durch ihre Zweiteilung und die übereinanderstehenden Figuren. Links thront

19) Archäologische Zeitung XL 1882, 264.

20) Die Enthauptung der Medusa, Bonn 1894.
 
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