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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 20.1905

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Nr. 4
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Six, Jan: Apelles
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https://doi.org/10.11588/diglit.47181#0183
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j 74 Six, Apelles.

die Arkadia, von dem Flöte spielenden Satyr überragt, der den Wald symbolisiert,
unten die Hirschkuh, die den kleinen Telephos nährt. In der schmalen rechten
Hälfte über Herakles die Parthenos, auf das Parthenion anspielend, die ihm seinen
Sohn zeigt. Links und rechts von ihm deuten allein der Adler das Hochgebirge und
der Löwe die Einöde an, wie letzterer das bei christlichen und buddhistischen
Heiligen später noch öfter tat.
So wenig wir von Apelles wissen, so können wir doch in dem einzigen
Werke, von dem wir eine ausführliche Beschreibung besitzen, mindestens die Zwei-
teilung wieder erkennen. In der »Verleumdung« scheiden sich klar die Gruppen.
Lucian21 drückt das mit έν δεξιοί für die Gruppe des Richters und έτέρωθεν δέ für die
viel größere ihres Gefolges klar genug aus. Und die erstgenannte Gruppe des
sitzenden Mannes mit den Eselsohren und der ihn umstehenden Agnoia und Hypo-
lepsis möchte man sich gerne so denken, daß die Frauen hinter dem Throne stehend
den Mann überragten. Freilich auch anderes ist hier denkbar. Apelles selber soll
ja in der Komposition Melanthios den Vorrang zuerkannt haben {Melanthio de dis-
positione cedebat, Asclepiodoro de mensuris, hoc est quanto quid a quoque dis täte deberef}22.
Es braucht uns also nicht zu wundern, wenn wir in der Komposition nicht gerade
die glücklichste Seite seiner Kunst finden.
Die großartige Auffassung der Figuren, die volle blühende Schönheit der
weiblichen Typen wäre für den Maler der Pankaste und der kölschen Aphrodite
nicht unpassend, und daß die Figur des Satyrs oberhalb der Arkadia im Ton
gemalt zu sein scheint, paßt nach dem obigen für keinen Meister des Altertums
wie für Apelles.
Ein merkwürdiger Beleg für das Wort des Dichters: »a thing of beauty is
a joy for ever«. wäre es, daß die hohe und doch so anmutige Schönheit, die Apelles
seinen großäugigen Frauen wie die Arkadia verliehen hätte, die nachklingt in einer
ganzen Gruppe von pompeianischen Gemälden, durch die abgeschwächte Vermittlung
der Phädra eines römischen Hippolytos-Sarkophags im Campo Santo zu neuer
Pracht wieder aufblüht in den Madonnen des Nicolo Pisano an der Kanzel des
Baptistero zu Pisa.
Dieses sind allerdings sehr allgemeine Erwägungen, die keinen sicheren
Schluß zulassen, da wohl überliefert ist, daß Apelles einen Herakles gemalt hat,
nicht aber die Auffindung des Telephos.
Einen Fingerzeig aber, der mehr Greifbares bietet, meine ich in einer Nach-
richt des Aelian23 zu finden, daß Apelles eine berühmte Hirschkuh gemalt habe;
denn viel mehr Sinn hätte diese Nachricht, wenn wir sie auf die Pflegemutter des
Telephos und nicht bloß auf ein beliebiges Tier im Reigen der Artemis beziehen
dürfen. Und das herkulanensische Gemälde zeigt uns in der Hindin, die den kleinen
Telephos nährt und leckt, ein so hübsch in seinen eigensten Bewegungen erfaßtes
Tier, daß man wohl versteht, wie das Original dieses Werkes berühmt sein konnte.
21) Calumnia non tem. cred. 4. 22) Plin. N. Η. XXXV 80.
23) Nat. Anim. epil.
 
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