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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 23.1908

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Sauer, Bruno: Nike in den Parthenongiebeln
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https://doi.org/10.11588/diglit.44283#0111
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B. Sauer, Nike in den Parthenongiebeln.

IOI

NIKE IN DEN PARTHENONGIEBELN.
So sehr es mir widerstrebt, zur Zersplitterung der Literatur über die
Parthenongiebel beizutragen, die dringend wieder einmal der Zusammenfassung
bedarf, so kann ich doch nicht unterlassen, den Vermutungen über die Gestaltung
der beiden Giebelmitten, die Cecil Smith soeben im Journal of Hellenic Studies
(XXVII, 1907 S. 242 ff.) ausgesprochen hat, sofort entgegenzutreten. Denn nicht
jedem Leser wird es ohne weiteres klar sein, wie kühn Smith auf unbewiesene
Voraussetzungen sein luftiges Gebäude baut, wie mancherlei, was er zur Stütze
beibringt, sich durchaus nicht als tragfähig erweist, und wie wichtige Tatsachen,
die sich seiner Konstruktion entgegenstellen, er übersehen oder gering geachtet hat.
Sein Ausgangspunkt ist die von vielen längst behauptete, jetzt als erwiesen
zu betrachtende Tatsache, daß die sogenannte Nike I des Ostgiebels in den
Westgiebel gehört1). Als letzter Verteidiger der alten Ansicht erkläre ich zunächst,
daß ich mich von ihrer Unrichtigkeit überzeugt habe und daß auch ich jetzt den
Torso der aus den Nointel’schen Zeichnungen bekannten Figur N des Westgiebels
zuschreibe und Iris benenne. Wenn aber Smith aus der neugesicherten Tatsache
weiter folgert, daß damit beide Giebel ihrer Nikegestalten verlustig gehen, und es
für unabweisbar hält, dafür Ersatz zu schaffen, wenn er es ferner nötig findet,
die »Lücke« in der Mitte jedes Giebels mit einer Figur zu füllen und dazu be-
sonders Nikegestalten, wie sie gelegentlich schon von anderen angenommen wurden,
geeignet glaubt, weil diese am sichersten Athena als die Hauptfigur beider Szenen
bezeichnen würden, so entfernt er sich leider gar weit von dem festen Boden der
Tatsachen. Es ist erstens auch heute noch sehr wohl möglich, daß Nike in
beiden Giebeln an anderer Stelle als in der Mitte vorkam. Es ist zweitens nichts
Undenkbares, daß der Künstler in einem von beiden oder in beiden Giebeln
ohne Nike auskam. Und es ist drittens höchst fraglich, ob genau in der Giebel-
mitte für solche Niken Platz war. Ich will mich hier darauf beschränken diese
drei Behauptungen zu beweisen.
Was mich noch vor wenigen Jahren bestimmte, trotz vieler und schwerer
Bedenken den Torso I für den Ostgiebel in Anspruch zu nehmen, war die Tat-
sache, daß die Standspuren auf Block 18 eine ähnlich komponierte Gestalt ver-
langen. Ich habe auf Seite 86 der Anm. 1 erwähnten Schrift einzig aus den Spuren
und dem zugehörigen Giebelraum heraus Folgendes ermittelt und habe davon auch
jetzt nichts abzuziehen. Es stand hier eine, vermutlich nach links, schreitende, laufende

J) Vgl. Studniczka in diesem Jahrb. XIX 1904, 10.
W. Prandtl Bd. XXI 1906, 36 ff. Weitere Be-
stätigungen bei Smith a. a. O. 242. — Unmittel-
bar nach Veröffentlichung meiner Schrift über
den Weber-Laborde’schen Kopf, in der ich
S. 81 ff. von diesem Torso handelte, überzeugte
mich Studniczka, der damals in London weilte,

in ausführlichem Briefwechsel von der Unhalt-
barkeit meiner Ansicht. Ich habe dann zunächst
geschwiegen, um seiner Darstellung nicht vor-
zugreifen, die er Jahrb. XIX 1904, 10 ankündigte,
leider aber noch nicht veröffentlicht hat. Um
so willkommener ist mir der Anlaß, mich jetzt
vor der Öffentlichkeit über die Sache zu äußern.
 
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