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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 28.1913

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Thiersch, Hermann: Zum Problem des Tegeatempels
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https://doi.org/10.11588/diglit.44288#0286
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H. Thiersch, Zum Problem des Tegeatempels.

An jonische Säulen vor der Tempelfront hatte von Pausanias ausgehend schon
Milchhöfer gedacht (Ath. Mitt. V 1880, 63). Er vermutete sie weiter draußen vor
der Ostfront in einer »Art Propylon«, dessen Fundation sich aber jetzt als ein Rest
des großen, reich mit Reliefs und Bukranien verzierten Altars herauszustellen scheint,
den Pausanias beschreibt. Jene Vermutung Milchhöfers, an der mit Einsetzung
des Altars selbst Karo (Arch. Anz. 1911, 143) oder unter Annahme einer Stoa auch
Rhomaios (Πρακτικά 1909, 316) und Dugas und Berchmanns (Revue de hart anc. et
mod. 1911, 18) noch fcsthalten, war ein Fehlschluß. Ganz richtig dagegen war Milch-
höfers Schluß gewesen, den er aus der Art, wie Pausanias die jonischen Säulen er-
wähnt, gezogen hatte: »es klingt nicht, als ob es viele waren«.
Pausanias sagt nicht, was diese jonischen Säulen getragen haben. Wenn sie
zu seiner Zeit noch etwas trugen, war ihm dies offenbar nicht merkwürdig genug, es
besonders zu erwähnen. Also etwa dekorative Figuren, entsprechend dem dekora-
tiven Charakter der Säulen selbst, Sphingen oder Niken. Hier hat mir nun K. Neu-
gebauer in seiner soeben erschienenen Schrift »Studien über .Skopas« (Leipziger
Dissertation 1913), S. 9—22 ein Stück meiner schon länger gehegten Vermutung
vorweg genommen. Wahrscheinlich ist nämlich von jenen Säulenfiguren noch etwas
erhalten, wie immer ihr Femininum geheißen haben mag.
Schon die französischen Ausgräber selbst hatten im Anfang den »Atalante« -
Kopf einer Statue zugewiesen, die auf einem jener beiden viereckigen Basamente
(Nordecke) gestanden habe (BCH. XXV 1901, 247, 1). Doch waren sie sich über
deren Charakter so wenig klar, daß sie auch wieder daran dachten, es wären nur
dekorative Dreifüße auf den beiden symmetrich sich entsprechenden Postamenten
aufgestellt gewesen. Die Nichtzugehörigkeit der beiden früher von einigen auf
Atalante, die Giebclfigur, bezogenen Fragmente: —jugendlicher Kopf und Gewand-
torso —, zum Ostgiebel darf jetzt als gesichert gelten.
Auch ich halte den Torso für den Rest einer Nike-artigen Einzelfigur T) auf
Vorderansicht bestimmt mit vernachlässigter Rückseite, und, um es gleich dazu
zu sagen, den schönen schmalen Mädchenkopf, sichtlich für Unteransicht mit
Verkürzung berechnet, für den Rest einer symmetrisch im Gegensinn bewegten
gleichartigen Figur. Daß der Kopf gerade die entgegengesetzte Drehung und
Haltung des Flalses verlangt wie der Torso, hat Dugas, Revue de hart anc. et mod.
1911, 9 ff. dargetan. Wen die schwebenden Mädchen mit wie bei Nereiden geblähtem
Mantelsegel vorstellen sollten, wage auch ich noch nicht mit voller Bestimmtheit
zu sagen. Sicherlich aber waren sie irgendwie gedacht auch als Verkörperungen
der Windeseile, die an der Atalante dieses Tempels so gefeiert wurde, und der bei
den Spielen des nahen Stadions immer wieder der Siegespreis zuerkannt wurde.
Da dies Stadion ού πόρρω του ναού lag, und zwar, wie Berard (BCH. XVII,
1893, 3) durchaus richtig vermutet* 2), eben vor der Ostfront des Tempels (ein Rest

’) Cultrera, Atti dell Accad. dei Lincei 1910, 22 ff.
hatte an ein Akröter gedacht.
2) Mit Unrecht von Frazer, Paus, descript. IV,
p. 432 bestritten. Der Umstand, daß Pausanias

den Altar zwischen dem Tempel und dem Stadion
beschreibt, spricht auch dafür. Die Periegese
geht von der Front immer weiter nach Osten
hinüber.
 
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