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Entsprechend dieser Fragestellungen war es für die Vorgehensweise sinnvoll, zuerst ei-
nen umfassenden Katalog zu erstellen. Dieser listet in chronologischer Reihenfolge und nach
systematischen Kriterien alle gesichteten schriftlichen Quellen zu den Ereignissen auf, bei
denen lebende Bilder nach Gemälden oder Stichen zum Einsatz kamen, und faßt damit zum
Teil weit verstreutes oder schwer zugängliches Datenmaterial zusammen. Da eine genaue
Einzelanalyse jedes lebenden Bildes unsinnig und unpraktikabel wäre, dient der Katalog als
Nachschlagewerk und Ausgangspunkt für weitere differenziertere Deutungen. Wo es notwendig
erscheint, dient ein Bildanhang der rezipierten Werke zur Unterstützung.

Der Eingrenzung des Themas und der Begriffsklärung folgt mit einer kurzen Entwick-
lungsgeschichte der Tableaux vivants bis ins 18. Jahrhundert eine historische Heranführung.
Die ersten lebenden Bilder als nachgestellte Kunstwerke wurden in den Handlungsablauf von
Theaterstücken integriert. Nur wenig später entwickelten sich eigenständige Tableaux vivants
ohne den diegetischen Kontext. In Abgrenzung zu den eng verwandten Attitüden wird die
Verbreitung der lebenden Bilder als eigenständige Kunstform in Petersburg, Berlin, Wien,
Weimar und anderen Städten vorgestellt. Nach diesem historischen Überblick, der sich auch
um die Darstellung des jeweiligen Funktionszusammenhangs der Tableaux vivants bemüht,
widmet sich das anschließende Kapitel der ausführlichen formalen wie inhaltlichen Analyse
dieses Phänomens. Da es kein »Paradebeispiel« gibt, das alle Kriterien der lebenden Bilder in
sich vereint, werden Details aus verschiedenen Quellen zusammengetragen, um außerbildliche
wie innerbildliche - meist technisch bestimmte - Bedingungen der lebenden Bilder festzuhal-
ten. Ein Blick auf gesellschaftliche Spiele unterstreicht ihre unterhaltende wie auch bildende
Funktion in der damaligen Gesellschaft. Nach der Klärung von Zugangsfragen zu den jeweiligen
Vorbildern sowie ethischer und ästhetischer Faktoren, die für die Auswahl bestimmend wa-
ren, sollen die Inhalte untersucht werden. Eine Gliederung nach Gattungen, Themen, Epo-
chen und Malern bietet sich an. Das letzte Haupt-Kapitel befaßt sich mit der Bedeutung der
lebenden Bilder. Durch die exemplarische Auswertung der Bildprogramme, einen Seitenblick
auf fiktive lebende Bilder in der zeitgenössischen Literatur, die Auswertung der Quellen in
Hinblick auf ihre Deutung der lebenden Bilder sowie einen Blick auf Parallelphänomene, die
sich ebenfalls mit der Verbindung von Kunst und Leben beschäftigten, soll eine historische
Bewertung dieses ungewöhnlichen Mediums versucht werden. Der Ausblick auf die Weiter-
entwicklung der lebenden Bilder im 19. und 20. Jahrhundert ermöglicht eine Einordnung aus
heutiger Sicht.

Die vorliegende Abhandlung will ein weitgefächertes Panorama über ein Phänomen bie-
ten, das bislang in der Kunstgeschichte nur marginal behandelt wurde. Als erste umfassende
Arbeit zu lebenden Bildern muß sie ein weites und in disparate Bereiche ausgreifendes Spek-
trum berücksichtigen und kann daher an vielen Stellen nicht - wie sicherlich wünschenswert
- in die Tiefe gehen und Einzelaspekte beleuchten. Sie möchte durch den ausführlichen Kata-
log, dem eine intensive Quellensichtung zugrunde liegt, sowie durch die Analyse des Phäno-
mens in formaler, inhaltlicher, ästhetischer und gesellschaftlicher Hinsicht eine breite Basis
schaffen, mögliche Diskussionslinien skizzieren und als Grundlage für weitere Untersuchun-
gen verstanden werden.15 Trotz vieler Auslassungen, Wissenslücken und mancher subjektiver
Vorlieben und Abneigungen, bemüht sich diese Untersuchung, etwas Licht in das von der
Kunstgeschichte bisher eher diffus behandelte Thema »lebendes Bild« zu bringen.

Für die Anregung zum Thema dieser Arbeit und den Rückhalt bei diesem Unternehmen
geht mein herzlicher Dank an Ernst Rebel. Er stand mir stets mit freundlichen Ratschlägen

15 Die exemplarische Behandlung eines oder weniger Ereignisse mit Seitenblicken auf die anderen
Ereignisse, wäre eine andere Möglichkeit gewesen, das Material zu bearbeiten, die jedoch bewußt
nicht gewählt wurde.

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