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Jooss, Birgit
Lebende Bilder: körperliche Nachahmung von Kunstwerken in der Goethezeit — Berlin, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.22768#0033
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und Mythologie, aber auch des Christentums. Große Triumphwagen mit Aufbauten in Form
von Schlössern, Tempeln oder Bergen waren die Träger der Szenen und wurden durch die
Straßen gezogen (Abb.4). Auch fest installierte Bilder mit lebenden Menschen - beispiels-
weise Triumphbögen - waren üblich. Der Fürst war lediglich Anlaß für die Schau, das Volk
war das Zielpublikum der Umzüge, das von der Größe ihres Herrschers beeindruckt werden
sollte. Meist waren bildende Künstler mit der Ausstattung der jeweiligen Bühnen beschäf-
tigt.41 An bestimmten Stationen hielt der Festzug an, um sich eine Ansprache oder einen
Gesang zur Erläuterung der Details anzuhören.42

In Nordeuropa, wo man - wie gleich zu zeigen sein wird - andere Huldigungsformen für
die Fürsten gefunden hatte, wurde die Triumphparade mehr und mehr im 16. Jahrhundert
übernommen. Der Einzug von Heinrich II. und Katharina von Medici in Rouen 1550 war eine
Kombination aus italienischem Triumphzug und französischem Herrschereintritt, bei dem es
sowohl Wagen als auch Bühnen gab. Die sogenannten Entrees Solennelles im Frankreich
des 16. Jahrhunderts bezogen die Aneinanderreihung lebender Bilder »all'antica« mit ein
(Abb.5) 43 Die Gestalten auf den Wagen riefen hier oft durch den Einsatz von Theaterma-
schinerien besonderes Interesse hervor. Am Zustandekommen beteiligten sich die großen Dich-
ter des Landes, die für die Bilderfindung zuständig waren, während bildende Künstler für die
Ausführung verantwortlich zeichneten.44

41 Vgl. Verdon 1978. S.8-9, der Guido Mazzoni für Modena und Neapel und Leonardo da Vinci für
Mailand nennt.

42 Vermutlich das früheste Beispiel eines derartigen Triumphzuges ist der Einzug König Alfonsos von
Neapel, der nach der siegreichen Schlacht gegen die Aufständischen der Anjovinischen Partei 1443
in seine Hauptstadt zurückkehrte und dort mit allegorischen Personifikationen, kirchlichen Gestal-
ten und Repräsentanten des Altertums gefeiert wurde. Vgl. die Quelle hrsg. von Mamone 1981.
S.128-132. Vgl. Weisbach 1919. S.13. Vgl. Kindermann II. 1959. S. 23. Vgl. Burke 1987. S.147-
148. Weitere Beispiele von Trionfi aus dem 15. und 16. Jahrhundert sind zahlreich, vgl. Weisbach
1919. S. 13-16 und Kernodle 1944, S.226-227, der alle Einzüge zwischen 1443 und 1598 auflistet.
Einen festlichen Nachglanz bildeten die Trionfi der Barockzeit in Italien, vgl. Alewyn 1959. S.20-
21.

43 Weisbach konstatiert, daß in Frankreich die Züge »all'antica« von Italien übernommen wurden und
nun eine ähnliche Entwicklung wie in Italien - nur ein Jahrhundert später - stattfand, vgl. Weisbach
1919. S.140-143. Man darf aber nicht vergessen, daß die Tradition der Fürsteneinzüge schon viel
früher im französisch-burgundischen Raum existierte und der Einfluß der Antike auch nördlich der
Alpen nicht immer in direkter Abhängigkeit zu Italien voranschritt. Vgl. auch van Puyvelde. In:
Jacquot II. 1960. S.288-291. Vgl. die Habilitationsschrift mit einigen Beispielen von Möseneder
1983, S.32, 104 und 169-170. Zur Geschichte der Entrees vgl. ebenda S.23-33. Zum Begriff der
Repräsentation, vgl. Brückner 1966, v.a. S.92 und 98.

44 »Ein bezeichnendes Beispiel dafür waren die Pariser Entrees für Charles IX. und seine Königin
(1571). An diese?n theatralischen Einzugsfest waren die hervorragendsten Dichter der Plejade,
Pier?-e de Ronsard und Jean Dorat, beteiligt. Sie arbeiteten dabei mit dem Bildhauer Germain
Pilon, dem Dekorationskünstler Pierre Angers und dem italienischen Maler Niccolo dell'Abbate
zusammen. Motive, die diese Dichter in größeren Werken behandelten, wie die von Ronsards
»Franciade«, spiegelten sich in der Allegorienwelt dieser Entrees. Für jeden einzelnen Triumphbo-
gen, für jede Gruppe, jedes lebende Bild entwarfe?i die Plejade-Poeten die Gestalten, ihre Zueinander-
ordnung, die versif zierten Aufschriften oder Aussprüche. Und die bildenden Kü?istler samt ihre?i
darstellenden Helfern führten diese Ideen aus.« Siehe Kindermann II. 1959. S.143. Zu den Dekora-
tionen, vgl. Möseneder 1983. S.81-145.

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