6. Ro senthal, Uebersichi der Geschichte der Baukunst.
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wohl in Verzweigung mit dem erstem, zu den Phönieiern, Carthagern
u. s. w.; ein dritter, wahrscheinlich späterer, nach Hinter-Indien und China.
Heber die weitere Verbreitung, nach dem Norden hin, ist das Dunkel
noch zu dicht. Von grofser Wichtigkeit würde es sein, wenn wir sichere
Nachrichten über die Abstammung der Hellenen hätten. Wir werden
sehen, dafs die Geschichte der Baukunst das Obige ihrerseits ebenfalls
bestätigt.
Eben wie in der allgemeinen Ausbildung, finden wir auch in der
Baukunst, hei der Vergleichung der verschiedenen Zeiten und Völker,
theils eine so wesentliche Verschiedenheit der einzelnen Baustyle, dafs
an eine, wenn auch noch so frühe Ableitung des einen aus dem an-
dern nicht zu denken ist; theils auch w ieder bei denselben Völkern
manche einzelne Uebereinstimmungen, sogar ganz gleiche Formationen.
Hierbei ist zuvörderst die Trennung der Begriffe Baukunst und Bauwis-
senschaft zu Hülfe zu nehmen. Es ist natürlich, dafs ein auswandernder
Völkerstamm den Character, die Lebensweise, und so auch die Baukunst
des Mutterlandes festhält. Finden sich nun aber in dem Clima und den
Baumaterialien der neuen Heimath Hindernisse, so wird man sich genö-
tbigt sehen, andere Constructionen, und zwar (wenn das neue Land etwa
schon bewohnt war) wohl zunächst die Vorgefundenen zu befolgen. Man
wird also die mitgebrachte Bauwissenschaft ändern, dabei aber noch lange
die alten Kunst-Ideen anzuwenden suchen. Gewöhnlich tritt dann ein
Mifsverhältnifs ein, welches störend auf den fernem Entwicklungsgang der
Baukunst einwirkt und sich vielleicht nie und in keinem Falle früher auf-
löset, ehe nicht entweder die ganze Sinnesweise des Volkes sich geändert und
dem neuen Clima u. s. w. angepafst hat, oder die Fortschritte in der Bau-
Wissenschaft Hülfsmittel gelehrt haben, durch welche sich die alte Kunst-
idee ohne Widerspruch darstelleu läfst. Ueberbaupt also mögen in der
Bauwissenschafl wohl die fremdartigsten Völker, oft gelegentlich, von ein-
ander gelernt haben, (denn die Wissenschaft läfst sich erlernen): die
Baukunst aber mufs sich aus und mit dem inneru Geiste eines jeden Vol-
kes herausgebildet haben und kann nur da Verwandtschaften zeigen, wo
auch der Volkscharacter verwandt ist. Finden sich nun io verschiedenen
Baustylen ähnliche Formen, so ist zu untersuchen, ob sie der Kunst oder
der Construction angehören. So mögen die Griechen die Construction mit
einzeln stehenden lothrechten Stützen vielleicht von den Aegyptern ent-
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wohl in Verzweigung mit dem erstem, zu den Phönieiern, Carthagern
u. s. w.; ein dritter, wahrscheinlich späterer, nach Hinter-Indien und China.
Heber die weitere Verbreitung, nach dem Norden hin, ist das Dunkel
noch zu dicht. Von grofser Wichtigkeit würde es sein, wenn wir sichere
Nachrichten über die Abstammung der Hellenen hätten. Wir werden
sehen, dafs die Geschichte der Baukunst das Obige ihrerseits ebenfalls
bestätigt.
Eben wie in der allgemeinen Ausbildung, finden wir auch in der
Baukunst, hei der Vergleichung der verschiedenen Zeiten und Völker,
theils eine so wesentliche Verschiedenheit der einzelnen Baustyle, dafs
an eine, wenn auch noch so frühe Ableitung des einen aus dem an-
dern nicht zu denken ist; theils auch w ieder bei denselben Völkern
manche einzelne Uebereinstimmungen, sogar ganz gleiche Formationen.
Hierbei ist zuvörderst die Trennung der Begriffe Baukunst und Bauwis-
senschaft zu Hülfe zu nehmen. Es ist natürlich, dafs ein auswandernder
Völkerstamm den Character, die Lebensweise, und so auch die Baukunst
des Mutterlandes festhält. Finden sich nun aber in dem Clima und den
Baumaterialien der neuen Heimath Hindernisse, so wird man sich genö-
tbigt sehen, andere Constructionen, und zwar (wenn das neue Land etwa
schon bewohnt war) wohl zunächst die Vorgefundenen zu befolgen. Man
wird also die mitgebrachte Bauwissenschaft ändern, dabei aber noch lange
die alten Kunst-Ideen anzuwenden suchen. Gewöhnlich tritt dann ein
Mifsverhältnifs ein, welches störend auf den fernem Entwicklungsgang der
Baukunst einwirkt und sich vielleicht nie und in keinem Falle früher auf-
löset, ehe nicht entweder die ganze Sinnesweise des Volkes sich geändert und
dem neuen Clima u. s. w. angepafst hat, oder die Fortschritte in der Bau-
Wissenschaft Hülfsmittel gelehrt haben, durch welche sich die alte Kunst-
idee ohne Widerspruch darstelleu läfst. Ueberbaupt also mögen in der
Bauwissenschafl wohl die fremdartigsten Völker, oft gelegentlich, von ein-
ander gelernt haben, (denn die Wissenschaft läfst sich erlernen): die
Baukunst aber mufs sich aus und mit dem inneru Geiste eines jeden Vol-
kes herausgebildet haben und kann nur da Verwandtschaften zeigen, wo
auch der Volkscharacter verwandt ist. Finden sich nun io verschiedenen
Baustylen ähnliche Formen, so ist zu untersuchen, ob sie der Kunst oder
der Construction angehören. So mögen die Griechen die Construction mit
einzeln stehenden lothrechten Stützen vielleicht von den Aegyptern ent-
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