I. GESCHICHTLICHE ÜBERSICHT DES CLEVISCI1EN NIEDERRIIEINS.
XI
stand, endlich Monheim, der Reclor der Düsseldorfer Schule und Andere, sie waren der
Mehrzahl nach der neuen Lehre zugethan. Die energische Einwirkung auf die Entwickelung
von Burgund aus, die Verhindungen der Hansa, hesonders mit Emmerich, Wesel und Goch, die
Nachbarschaft der Niederlande und endlich die kirchlichen Misshräuche hatten längst freiere
Denkweise und Opposition gefördert. Schon ein Edict von 1508, worin Johann III. dem geist-
lichen Stande den Besitz von Erbgütern verbietet, athmet einen freien Ton, der dann auch keine
Verwunderung zulässt, wenn derselbe Fürst seine Tochter Sibylle dem protestantischen Johann
Friedrich von Sachsen zur Ehe giebt. Ja der neue Schwiegersohn darf stets seinen Hofprediger
Mykonius mit nach Düsseldorf bringen, dessen Predigten dort keinen geringen Eindruck machen.
In demselben Jahre 1526 erlässt Carl V. besorgt von Spanien aus schon eine Mahnung an
die Grafen von Nassau und Königstein, mit ihren Nachbarn am Rhein über die Ausrottung
der Ketzerei zu unterhandeln.61 Allein sie hatte bereits festen Fuss gefasst,62 zuerst in
Wesel und dem gegenüberliegenden Büderich. 1522 predigte dort schon der Augustiner
Matheus von Ginderich im Sinne der Reformation. Clarennaeh als Conrector der Schule
daselbst, Clemens Sylvanus, Caplan an der Matenakirche, Clopris, Pastor in Büderich, gesell-
ten sich hinzu und bildeten eine Vereinigung, von welcher eine allgemeine Reformation
ausging. Wenn auch nach einigen Jahren ein kurzer Rückschlag stattfand, bei welchen
Johann III. sich vermittelnd verhielt, indem er 1529 Luthers Schriften freilich zu verbren-
nen gebot, aber auch die Publication der Bannbulle untersagte, so neigte er sich ein Jahr
darauf 1530 um so entschiedener zur neuen Lehre, der er nun Freiheit und Toleranz und
1533 eine Kirchenordnung gewährt, die, angeblich von Melanchthons Gutachten unterstützt,
der dem Hof befreundete Erasmus verfasste. 1542 war Wesel, Bislich, Büderich, Orsoy
u. s. w. ganz protestantisch und etwas später verkauft die Äbtissin Magdalena von Eltenberg
den Vitushof daselbst, weil derselbe nur von Nichtkatholiken bewohnt sei. Der neue Her-
zog nahm 7 Monate vor dem Venloer Vertrag am 22. Februar 1543 das Abendmahl in
beiderlei Gestalt,63 gab den Flüchtigen W'ohnsitze und schützte die Verfolgten. Da trat der
Venloer Vertrag als Schranke jeder weitern Hinneigung des Herzogs zur Reformation hin-
dernd in den Weg. Als Schwiegersohn Kaiser Ferdinands, als Vetter Carls V. musste er
wohl um so eher beim alten Glauben verharren. Aber nach Möglichkeit suchte er das im
Juni 1548 in Cleve anlangende Interim für die Protestanten auszubeuten, eine ihm dedicirte
Schrift des Humanisten Rredenbach an der Schule zu Emmerich zur Aufrechthaltung des
alten Glaubens nahm er gar übel auf,64 und so blieb es nicht aus, dass Papst Paul V.
den clevischen Abgeordnelen Masius, der Anträge auf reformatorische Bestrebungen
machte, mit derben Scheltworten empfing.63 1568 fand in Wesel die erste evangelische
Svnode statt.66
u
61. Ranke II, 280. 62. v. Recklingshausen: Reformationsgesch. der Lander Cleve, Jülich, Rerg etc.
p. 20. Cornelius, Geschichte des Münster Aufruhrs I. p. 46 — 89.
63. Ranke IV, 228. 64. Dillenhurger p. 18.
65. Ranke V. p. 358. 66. Jacohson Quellengesch, des evangel. Kirchenr. im Rheinl. p. 38 und 82.
B*
XI
stand, endlich Monheim, der Reclor der Düsseldorfer Schule und Andere, sie waren der
Mehrzahl nach der neuen Lehre zugethan. Die energische Einwirkung auf die Entwickelung
von Burgund aus, die Verhindungen der Hansa, hesonders mit Emmerich, Wesel und Goch, die
Nachbarschaft der Niederlande und endlich die kirchlichen Misshräuche hatten längst freiere
Denkweise und Opposition gefördert. Schon ein Edict von 1508, worin Johann III. dem geist-
lichen Stande den Besitz von Erbgütern verbietet, athmet einen freien Ton, der dann auch keine
Verwunderung zulässt, wenn derselbe Fürst seine Tochter Sibylle dem protestantischen Johann
Friedrich von Sachsen zur Ehe giebt. Ja der neue Schwiegersohn darf stets seinen Hofprediger
Mykonius mit nach Düsseldorf bringen, dessen Predigten dort keinen geringen Eindruck machen.
In demselben Jahre 1526 erlässt Carl V. besorgt von Spanien aus schon eine Mahnung an
die Grafen von Nassau und Königstein, mit ihren Nachbarn am Rhein über die Ausrottung
der Ketzerei zu unterhandeln.61 Allein sie hatte bereits festen Fuss gefasst,62 zuerst in
Wesel und dem gegenüberliegenden Büderich. 1522 predigte dort schon der Augustiner
Matheus von Ginderich im Sinne der Reformation. Clarennaeh als Conrector der Schule
daselbst, Clemens Sylvanus, Caplan an der Matenakirche, Clopris, Pastor in Büderich, gesell-
ten sich hinzu und bildeten eine Vereinigung, von welcher eine allgemeine Reformation
ausging. Wenn auch nach einigen Jahren ein kurzer Rückschlag stattfand, bei welchen
Johann III. sich vermittelnd verhielt, indem er 1529 Luthers Schriften freilich zu verbren-
nen gebot, aber auch die Publication der Bannbulle untersagte, so neigte er sich ein Jahr
darauf 1530 um so entschiedener zur neuen Lehre, der er nun Freiheit und Toleranz und
1533 eine Kirchenordnung gewährt, die, angeblich von Melanchthons Gutachten unterstützt,
der dem Hof befreundete Erasmus verfasste. 1542 war Wesel, Bislich, Büderich, Orsoy
u. s. w. ganz protestantisch und etwas später verkauft die Äbtissin Magdalena von Eltenberg
den Vitushof daselbst, weil derselbe nur von Nichtkatholiken bewohnt sei. Der neue Her-
zog nahm 7 Monate vor dem Venloer Vertrag am 22. Februar 1543 das Abendmahl in
beiderlei Gestalt,63 gab den Flüchtigen W'ohnsitze und schützte die Verfolgten. Da trat der
Venloer Vertrag als Schranke jeder weitern Hinneigung des Herzogs zur Reformation hin-
dernd in den Weg. Als Schwiegersohn Kaiser Ferdinands, als Vetter Carls V. musste er
wohl um so eher beim alten Glauben verharren. Aber nach Möglichkeit suchte er das im
Juni 1548 in Cleve anlangende Interim für die Protestanten auszubeuten, eine ihm dedicirte
Schrift des Humanisten Rredenbach an der Schule zu Emmerich zur Aufrechthaltung des
alten Glaubens nahm er gar übel auf,64 und so blieb es nicht aus, dass Papst Paul V.
den clevischen Abgeordnelen Masius, der Anträge auf reformatorische Bestrebungen
machte, mit derben Scheltworten empfing.63 1568 fand in Wesel die erste evangelische
Svnode statt.66
u
61. Ranke II, 280. 62. v. Recklingshausen: Reformationsgesch. der Lander Cleve, Jülich, Rerg etc.
p. 20. Cornelius, Geschichte des Münster Aufruhrs I. p. 46 — 89.
63. Ranke IV, 228. 64. Dillenhurger p. 18.
65. Ranke V. p. 358. 66. Jacohson Quellengesch, des evangel. Kirchenr. im Rheinl. p. 38 und 82.
B*