XII
I. GESCHICHTLICHE Ü HER SICHT DES CLEVISCHEN NIEDERUIIEINS.
Des hoffnungsvollen Erbprinzen Todes zu Horn gedachten wir. Sein jüngerer Bruder
Johann Wilhelm (1-592—1609), zu Lebzeiten des Verstorbenen geistiger und körperlicher
Schwäche halber schon zum geistliehen Stande bestimmt, halte bereits die Würden eines
Propstes zu Xanten und Bischofsverwesers von Münster, als man ihn eiligst zum Regenten
vorbereitete. Welch ein tragisches Bild, dieser an Geist und Körper zerrüttete Herzog der
herrlichen Lande Cleve, Jülich, Berg und Mark! Trübe sinkt der Stern des Hauses Cleve
hinunter. Die schöne Jacobea von Baden, lebenslustig und keck, stand unfreiwillig am Allare
neben dem siechen Gemahl. Der Pomp des hochzeitlichen Festes67 verbreitete nur kurze
Täuschung für die Zukunft. Die Ehe blieb kinderlos, der Wahnsinn des Herzogs nahm zu,
und der Zwiespalt zwischen der jungen und hübschen Jacobea und die Eifersucht der schon
bejahrteren herzoglichen Schwester Sibylle war hinreichend, einen Hass zu erzeugen, dessen
Opfer Jacobea ward. Erdrosselt fand man sie im Bette. Der unglückliche Herzog ward zu
einer zweiten Ehe bewogen. Aber auch Auloh leite von Lotharingen gebar keine Erben.
1600 tritt sie als Mitregentin des Wahnsinnigen ans Ruder, wodurch sich die Verwahrlost-
heit der Länder auf einige Augenblicke minderte. Aber nur auf Augenblicke. Denn von
Belgien aus kam der blutige Mendoza gegen das unter Oranien bewaffnete Holland gezogen,
und da Cleve mit Holland unterbandelte, so plünderte und verbrannte der spanische Henker
zur Weihnachtsgabe Orsoy, Büderich, Dinslaken, Rheinberg, Rees, Emmerich, Calcar und
Wesel und suchte mit Feuertod und llenkersqual diese Städte von der neuen Lehre zu rei-
nigen.68 1609 erfolgte Johann Wilhelms Tod.69 Verwaist war der herzogliche Thron.
Die Männer der beiden verheiratheten Schwestern des Verstorbenen, die Churfürsten von
Brandenburg und Pfalz-Neuburg, ebenso Sachsen wegen der Ehe Johann Friedrichs, mach-
ten ihre Ansprüche geltend, gestützt auf ein Privilegium Carl V. für die Gültigkeit der weib-
lichen Nachfolge. Es entspann sich jener bekannte Erbfolgekrieg, welcher der Krone Preus-
sen Cleve, Mark, Ravensberg zubrachte, mit welchen sich einst auch Berg und Jülich ver-
einigen sollten. Die gewallige Hand der Vorsehung waltete sichtbar über den Geschicken der
Völker. Dem verschlagenen Carl V., dem Beherrscher von Spanien, Neapel, Indien, den
Niederlanden und des deutschen Reiches entfiel das Scepter aus der bleichen Hand. Keiner
seiner Weltgedanken ging in Erfüllung. Vom Bergkloster S. Juste sah er das mühevoll
Vereinigte sich schnell trennen. Die katholische Liga stand machtlos da gegen die Gewalt
der Reformation, und diese Dynastie, die sich seit der fränkischen Staatenbildung durch
Glück und Politik stets mehr an Macht und Anselm emporhob, endete durch Mord, Schwach-
sinn und Kinderlosigkeit!
67. Gramincus: Beschreibung d. fürsll. Hochzeit so 1585 gehalten etc.
68. Recklinghausen III. p. 117.
69. Camp. v. Beschreibung des Begräbnisses Herz. .loh- Willi. 1628.
I. GESCHICHTLICHE Ü HER SICHT DES CLEVISCHEN NIEDERUIIEINS.
Des hoffnungsvollen Erbprinzen Todes zu Horn gedachten wir. Sein jüngerer Bruder
Johann Wilhelm (1-592—1609), zu Lebzeiten des Verstorbenen geistiger und körperlicher
Schwäche halber schon zum geistliehen Stande bestimmt, halte bereits die Würden eines
Propstes zu Xanten und Bischofsverwesers von Münster, als man ihn eiligst zum Regenten
vorbereitete. Welch ein tragisches Bild, dieser an Geist und Körper zerrüttete Herzog der
herrlichen Lande Cleve, Jülich, Berg und Mark! Trübe sinkt der Stern des Hauses Cleve
hinunter. Die schöne Jacobea von Baden, lebenslustig und keck, stand unfreiwillig am Allare
neben dem siechen Gemahl. Der Pomp des hochzeitlichen Festes67 verbreitete nur kurze
Täuschung für die Zukunft. Die Ehe blieb kinderlos, der Wahnsinn des Herzogs nahm zu,
und der Zwiespalt zwischen der jungen und hübschen Jacobea und die Eifersucht der schon
bejahrteren herzoglichen Schwester Sibylle war hinreichend, einen Hass zu erzeugen, dessen
Opfer Jacobea ward. Erdrosselt fand man sie im Bette. Der unglückliche Herzog ward zu
einer zweiten Ehe bewogen. Aber auch Auloh leite von Lotharingen gebar keine Erben.
1600 tritt sie als Mitregentin des Wahnsinnigen ans Ruder, wodurch sich die Verwahrlost-
heit der Länder auf einige Augenblicke minderte. Aber nur auf Augenblicke. Denn von
Belgien aus kam der blutige Mendoza gegen das unter Oranien bewaffnete Holland gezogen,
und da Cleve mit Holland unterbandelte, so plünderte und verbrannte der spanische Henker
zur Weihnachtsgabe Orsoy, Büderich, Dinslaken, Rheinberg, Rees, Emmerich, Calcar und
Wesel und suchte mit Feuertod und llenkersqual diese Städte von der neuen Lehre zu rei-
nigen.68 1609 erfolgte Johann Wilhelms Tod.69 Verwaist war der herzogliche Thron.
Die Männer der beiden verheiratheten Schwestern des Verstorbenen, die Churfürsten von
Brandenburg und Pfalz-Neuburg, ebenso Sachsen wegen der Ehe Johann Friedrichs, mach-
ten ihre Ansprüche geltend, gestützt auf ein Privilegium Carl V. für die Gültigkeit der weib-
lichen Nachfolge. Es entspann sich jener bekannte Erbfolgekrieg, welcher der Krone Preus-
sen Cleve, Mark, Ravensberg zubrachte, mit welchen sich einst auch Berg und Jülich ver-
einigen sollten. Die gewallige Hand der Vorsehung waltete sichtbar über den Geschicken der
Völker. Dem verschlagenen Carl V., dem Beherrscher von Spanien, Neapel, Indien, den
Niederlanden und des deutschen Reiches entfiel das Scepter aus der bleichen Hand. Keiner
seiner Weltgedanken ging in Erfüllung. Vom Bergkloster S. Juste sah er das mühevoll
Vereinigte sich schnell trennen. Die katholische Liga stand machtlos da gegen die Gewalt
der Reformation, und diese Dynastie, die sich seit der fränkischen Staatenbildung durch
Glück und Politik stets mehr an Macht und Anselm emporhob, endete durch Mord, Schwach-
sinn und Kinderlosigkeit!
67. Gramincus: Beschreibung d. fürsll. Hochzeit so 1585 gehalten etc.
68. Recklinghausen III. p. 117.
69. Camp. v. Beschreibung des Begräbnisses Herz. .loh- Willi. 1628.