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IL KUiV STUIST0 RICHE ÜBERSICHT.

XIII

II. KUNSTHISTORTSCIIE ÜBERSICHT.

Wonn wir im Eingang die Bemerkung aufstellten, dass das eigentümliche Wesen
der Volksentwickelung aus dem Zusammenwirken der Naturverhältnisse, des Stammcharakters
und der politischen Schicksale sich gestalte; so werden wir auch finden, dass da, wo diese
Entwickelung- zu einer bemerkenswertheren Höhe gelangt, sie jedesmal von jenen drei Mo-
menten veranlasst und getragen wird. Am Unterrhein hedingten die Naturverhältnisse ein
ruhiges, dem Ackerhau, der Viehzucht und dem Handel gewidmetes Dasein, nicht aufgeweckt
durch grossarligcn Landverkehr, reiche Industrie und Weinhau. Der Charakter der Bewohner
blieb dem entsprachend bis auf den heutigen Tag. Sie sind mehr ansiedelnd und conlem-
plativ, als angreifend und kühn ins Weite schweifend; beharrlich, festhaltend am Daseienden,
vor Allem mehr selbstständig, kräftig und derb, als phantastisch und zart, und dadurch
wohl unterschieden von der leichten und empfänglichen Beweglichkeit der oberen Rhein-
lande. Die polnischen Schicksale brachten den Unterrhein schnell zu einer wenig angefoch-
tenen Einheit unter der elevischen Dynastie, bei welcher die Bewohner ohne Widerspruch
stets verbleiben. Grosses ereignet sich kaum, auf Angriff und Eroberung gehen sie nicht
aus; aber sie sind fast immer als zuverlässige und mächtige Bundesgenossen im Felde, und
bleiben dadurch in steter Zunahme des Besitzes. Zweimal trat die allgemeine Entwickelung
zu einer hemerkenswertheren Höhe, einmal in der früheren Zeit, wo die fränkische Be-
we^un» und Slaalenbilduno- ebenso dem Selbstständbkeitssrlühlc, wie die «rossarliue Auf-

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nähme des Christenthums dem contemplativen Zuge entsprachen; dann aber im 15. Jahr-
hundert, wo die Hansa, das Städtewesen und die Verbindung mit Burgund dem Handel
einen ungeheuren Aufschwung <?aben und dem Leben Bewegung zuführten. Die Kunslent-

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wickelung geht Hand in Hand mit der geschichtlichen Entwickelung und verläugnet in
ihren Werken selten das Gepräge derselben. Wir finden desshalh auch in der nieder-
rheinischen Kunstgeschichte, den beiden geschichtlichen Epochen entsprechend, dieselben
beiden Höhenpunkte wieder. .

1. F r ä n k i s c h - r o ra a n i s c h e K u n s t e p o c Ii e.

Römische Bauten besitzt der Niederrhein nicht mehr; der Handel mit ihrem Bau-
material hat selbst die Fundamente aus der Erde gerissen.70 Die auf die römische folgende
fränkische Baukunst musste schon desshalh eine grosse Thätiarkeit entwickeln, weil sie den
Beruf halte, dem schnell verbreiteten Christenthum Kirchen zu schaffen. Der fränkische
Königssilz zu Xanten besass sicherlich neben der Burg seine Kirche, und in dem neben
Xanten liegenden längst vom Rhein verschlungenen Birten befand sich bereits im 6. Jahr-
hundert zu Ehren des Märtyrers Mallusius erst ein Oratorium und dann eine Basilika.71 Die

70. Spenrath und Mooren: Alterthüml. Merkw. v. Xanten 1, p. 49. 108. III, 51.

71. Dass das von Gregor v. Tours genannte Oppidum Bertunense Birlcn bei Xanten ist, gehl schon
 
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