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EMMERICH.

Die Chorslühle sind der Orl dieser Satyren, und die Thierfabel,11 die am Unterrhein
und an der Maas ja überhaupt ihre Entstehung fand, ist ihr Gewand.12 Da finden wir am Ende
rechts, wo durch einen Wandpfeiler eine Ecke gebrochen wird, auf zwei zusammenstossen-
den Lehnen ein altes Weih mit einem Korb und einen Mönch, der einen Kälberfuss und
sonstige Viclualien halt, sich eifrig begrüssend. Daneben unter dem ersten Sitzbrett dieser
Reihe fasst ein Mann vor seinem brennenden Hause verzweifelnd in sein Haar. Das zweite
Sitzbrett zeigt den Storch, der den Fuchs anführt, indem er ihn zum Fressen aus einem
hohen Topf einladet, den der Fuchs nicht erreichen kann. Allein der Fuchs rächt sich;
denn aul dem vierten Silzbrett will der Storch die Mahlzeit des Fuchses theilen; da die-
selbe aber auf einem flachen Teller liegt, so ist sie nicht für den Schnabel des Storches
geeignet. Unter dem fünften Sitze befindet sich eine Katze und eine Schelle, womit sie
die herbeieilenden Mäuse herangelockt zu haben scheint. Beim sechsten schwimmt Reineke
den Enten nach, beim achten betet er nach dieser Nachstellung, mit der Kutte bekleidet,
das Brevier. Unter dem neunten Sitzbrett ist ein Mann zugetheilt, der den Säuen Blumen
streut. In der vorderen Sitzreihe frisst links unter dem ersten Sitze ein Ziegenbock die
Trauben des Weihstocks; dann folgen Wiederholungen; auch einzelne Thiere, Löwe, Adler
und das agnus dei. Die Reihe von Chorslüh!en auf der gegenüberstehenden Seile (soweit
dieselben sich nicht wiederholen, finden wir ihre Darstellungen unten rechts auf dieser Ta-
fel bei 6.) zeigen uns oben links zuerst eine Karlenschlägerin an den wechselnden Wogen des
Wassers; in der untersten Reihe links einen Mann, der zwischen zwei Stühlen sitzt; und
endlich links in der vorletzten Reihe eine Darstellung, die auch oben (obere Reihe, von
links an der zweite Sitz) vorkam, und die sich an den Chorstühlen von Cleve und Calcar
wiederfindet, einen Mann, der Eier drischt, vielleicht ein Bild dümmster Unkenntniss. Auf
den Seitenlehnen endlich befinden sich noch allerlei Anspielungen, z. B. bei 1 in der hin-
teren Reihe auf der mittelsten Lehne eine Sirene, die sich im Spiegel beguckt; in der vor-
deren Reihe'links auf der dritten Lehne beichtet ein Vogel dem Fuchs, u. s. w. Der vir-
tuosen Darstellung und Technik gedachten wir bereits; Kinkel13 stellt die niederrheinischen
Chorstühle an Geist und Naturwahrheit höher als die meisten gleichzeitigen.14 Ueber die

11. Die Thierbilder blieben 200 Jahre traditioneller Schmuck der Chorstühle. Als nun aber die Satyren

ihren Sinn in veränderter Zeit verloren halten, musslen die Thierbilder auch eine andere Begrün-
dung erfahren, und man wählte hierzu den Psalm 148, der auf den freilich sehr späten Chorstüh-
len von Brauweiler bezeichnet ist.

12. Cornelius S. 27: Spotllied jener Zeit:

Monneke, nunnen und papen,
Ziegen, Katten und apen,
Müggen, rupen und muese,
Hören, keveren und luse,
Dar dusse gewinnen dei overhanl
Verderven siede, lüde und lant.

13. Kinkel im bereils erwähnten Aufsatz im Kunslblatt von 1846.

14. Gleichzeitig sind besonders diejenigen von Syrlin zu Wien und Ulm.
 
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