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Zeitschrift

des

Kunst- Ge werbe-Vereins.

Zwanzigstcr Jahrgang.

München. __/Ts 3 # 4. _ ~ 1870.

®*e Zeitschrift erscheint monailich mit wenigstens zwei Seiten Text und zwei Kunstbeilagen. Die Vereinsmitglieder erhalten die Zeitschrift unentgeltlich. Im Buch-
handel kostet dieselbe 4 fl. j. ä. = 2 Thlr. 12 Sgr. der Jahrgang. Inserate geeigneten Inhaltes werden mit 6 kr. — 2 Sgr. für den Raum einer gespaltenen
Petitzeile berechnet. St andig e Inserate erhalten eine entsprechende Preisermäßigung. In- und Auswärtige wollen sich dieserhalb an die Buchhandlung von

Theodor Ackermann dahier wenden.

Wirkerei und Gobelins.

Vortrag von Prof. Kuhn. Conservator des bayr. Nationalmuseums.

Wenn auch in den Tagen der Kindheit des Menschengeschlechts
zunächst die Noth, das Bedürfnis; die Mutter der Erfindungen
wurde, welche natürlich in ihrem ersten Stadium roh und unvoll-
kommen waren, so lag doch zugleich in dem uns Menschen ange-
bornen Schönheitssinne der Impuls zur weiteren Entwicklung und
formengebenden Gestaltung.

Diese Thatsache läßt sich bei allen Völkern Nachweisen, diese
Thatsache tritt aber auch in Allem auf, was der Mensch zur Um-
rahmung seines Daseins braucht.

Treffend äußert sich darüber unser Schiller in seinen Briefen
über ästhetische Erziehung des Menschen (XXVII. Brief, pag. 122)
wenn er sagt, daß der Mensch in seinem Urzustände nicht mehr
damitzufrieden ist, daß ihm dieDingegefallen, sondern, daß
er selbst gefallen will, Anfangs nur dadurch, was sein ist, end-
lich durch das, was er ist. Was er besitzt, was er hervorbringt,
darf nicht mehr blos die Spuren der Dienstbarkeit, die ängstliche
Form seines Zweckes tragen, neben dem Dienst, zu dem es da ist,
muß es zugleich den geistreichen Verstand, der es dachte, die lie-
bende Hand, die es aussührte, den heitern und freien Geist, der es
wählte und aufstellte, Widerscheinen."

Und wirklich finden wir auch, daß, obgleich Feigenblätter die
ersten Schürzen und Thierfeile die ersten Rocke für unsere Stamm-
cltern abgeben mußten, schon sehr bald Gewebestücke die Bekleid-
ung des Menschen werden.

So treffen wir bereits den Mantel ansdrücklrch bei Noah er-
wähnt und mußte dieser schon weit früher bekannt sein, da wir in
der hl. Geschichte Sodoma als eine etwas mehr als verfeinerte
Stadt kennen, indem deren üppigen Einwohnern die Reize der
Frauen nicht mehr genügten; und zu Abrahams Zeiten (1800 v. CH.)
finden wir, daß König Abimelech der Sarah 1000 Silberlinge „zur
Decke ihrer Augen" (einen Schleier) gab — gewiß ein Zeichen, daß
diese feinen Gewebe, welche die Frauen trugen, schon damals sehr
kunstreich gearbeitet sein mußten.

Daß aber zu Abraham's Zeiten auch noch andere Gewebe —
und hier meine ich vorzugsweise kunstvoll gewebte oder gestickte
Teppiche zur Ausschmückung der Zelle und Wohnungen — im Ge-
brauch waren, erhellt aus einer andern Stelle der hl. Geschichte,
uemlich da, wo Abraham von der Beute, die er mit seinen Ge-
uossen dem Könige der Elamiter abgenommen, „vom Faden des
^°webeL" bis zum Schuhriemen nichts annehmen will, was sein
damit der König von Sodoma nicht sagen könne, er habe den
^aham reich gemacht."

^ir verfolgen die Geschichte der Juden weiter, weil wir aus
keine j der übrigen Culturvölker in einer so frühen Zeit

'D Ausführlichen Belege haben und lesen hier um das Jahr !

1300 v. Ehr., daß über das heilige Zelt*) Teppiche von gezwirn-
tem Byffus und von Hyaeinth, von Purpur und von zweimal ge-
färbtem Carmoisin mit Stickwerk von allerlei Figuren ausgcbreitet
waren.

Wir müssen zunächst hier beim Stickwerk an Nadelarbeit
denken, aber unten aus Vers 31 geht hervor, daß es auch Gewebe
war, also Wirkerei mit Weberei verbunden.

V. 31 heißt es nemlich: Und mache einen Vorhang von Hya-
zinth und Purpur und zweimal gefärbtem Carmoisin und gezwirn-
tem Byffus, ein Stickwerk und vielfadiges Gewebe (Cherubim ein-
gewebt.)

Dasselbe wird auch dadurch bestätigt, daß es bei Aaron's
Priesterkleid ausdrücklich heißt, „auch soll das Gewebe (des Schulter-
blattes) und die ganze Arbeit bunt sein, aus Gold, Hyazinth und
zweimal gefärbtem Carmoisin und gezwirntem Byffus"; ebenso
war das „Brustblatt des Urteiles" ein Gewebe, sogar die
Borten am Rocke des Hohenpriesters mußten Weberarbeit sein, wie
man zu machen pflegt am Rande der Kleider. Unten aber am
Saume des Rockes mache etwas herum wie Granatäpfel von Hya-
zinth und Purpur und zweimal gefärbtem Carmoisin." (B. 32.33.)

Es ist freilich von diesen Webereien nichts mehr erhalten, so
daß wir die Art der Arbeit nicht bestimmen können; da aber
im Aegyptischen Museum des Louvre sich aus der Sammlung des
Clot Bey im Glasschranke 0 noch Fragmente finden, welche gegen
das Jahr 2000 v. Chr. zu setzen und von allen Kennern als
dn886 üsse anerkannt sind, und die israelitischen Frauen unter
ägyptischem Einflüsse ihre Geschicklichkeit im Spinnen und Weben
besonders ausbildeten, so werden wir uns bei der weiteren Erwäg-
ung, daß der handwerkliche Betrieb der Aegyptier von den Israe-
liten jedenfalls genau gekannt war, kaum irren, wenn wir die
obigen Arbeiten für basse lisse Weberei halten.

Die Hauptblüthe der Manufaktur, hier speziell der Weberei
sowie des Handels bildete sich einerseits in Aegypten, deffenRuhm
in der Webekunst so weit zurückdatirt, daß er sich in die Mythe
verliert, andererseits in den westasiatisch en Ländern.

Vor Allem waren es hier die Babylonier und Assyrer,
deren Kunstarbeiten in Verfertigung kostbarer Kleidungen und
Teppiche, letztere, um die langen Säle und einzelnen Räume ab-
zutheilen, oder auch zum Belegen des Thrones, der hohen Lehn-
stühle u. s. w. berühmt waren; ferner die ebenso als industrielles
als Handelsvolk weltbekannten Phönizier und die l y d i s ch e n, p h r y-
gi scheu Stämme, bei welchen nicht blos die Frauen, selbst fürst-
liche, mit Spinnen und Weben beschäftigt waren, sondern bei denen
sich ein förmlicher Handwerkerstand herausbildete, der für eigene

*) Ein längliches Viereck aus 3 Bretterwänden, über welche ein kost-
barer Teppich und noch 3 andere Decken gebreitet waren. Es war
in 2 regelmäßige Zimmer abgetheilt, von denen eines das Heiligste,
das andere das Allcrheiligste hieß.
 
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