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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 20.1870

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Kuhn, ...: Wirkerei und Gobelins, [2]
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Beschreibung der Kunstbeilagen
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https://doi.org/10.11588/diglit.9147#0028
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Auch der die Kunst so außerordentlich pflegende Franz I. von
Frankreich (1515—1547) benutzte die flandrische Industrie für seine
Zwecke, ja dieser König besaß der Arrazzi*), die nach großen italienischen
Meistern gewirkt waren, so viele, daß er bei Einrichtung der Bastille zum
Empfang des englischen Gesandten alle Zimmer dieses weitläufigen
Baues damit behängen lassen konnte. Eine der herrlichsten dieser Ta-
peten stellt den Triumph des S cipiodar,wahrscheinlichnach Giulio
Romano, wofür der König 22000 Scudi (2000 ?) bezahlt haben soll.

Bei der außerordentlichen Prunkliebe dieses Königs genügten
ihm die in Frankreich bestehenden Manufakturen nicht, er errichtete
1543 in Fontainebleau eine eigene Fabrik, und ließ flandrische
und italienische Arbeiter kommen, für deren Arbeiten Primaticcio
und Nicolo dell' Abbate die Cartons fertigen mußten.

Der Superintendant der kgl. Gebäude Philbert Babon
und der bekannte Architekt Sebastian Serlio wurden die Directoren
der neuen Fabrik.

In dieser Fabrik wurden zum ersten Male die großen Teppiche
in einem Stücke gearbeitet, statt sie wie bisher znsammenzunähen
und ebenso mischte man Gold- und Silberfäden unter die Wolle
und Seide, eine Manipulation, welche man in Flandern freilich
schon längst anwandte.

Nichts desto weniger beschäftigte der prachtliebende König auch
noch die P ariser Manu faktur, welche für seine Krönung eine
Hautelisse mit Leda, Nymphen und Satyren arbeiten mußte,
und wofür dem Herren Miolard de Pasquier 410 livres tonr-
nois (in Tours geprägt und 7S leichter als die Pariser) bezahlt
wurden.

Sein Nachfolger Heinrich II. 1547—1559 ernannte den Phili-
bert de l'Orme zum Director der Manufactur in Fontainebleau
und gründete im Dreifaltigkeitsspitale zu Paris (Rne St.
Denis) noch eine weitere, die hauptsächlich nach den Cartons von
Henri Lerembert arbeitete. Die Kinder des Hospitals wurden zum
Färben der Seide und Wolle verwendet und mußten die Weberei
haute- und basse-lisse erlernen, die Arbeiter selbst stattete man,
freilich zum großen Verdruß der übrigen Pariser Weber mit sehr
bedeutenden Privilegien ans.

Ihren Höhepunkt erreichte letztere Fabrik unter Heinrich III.
(1574—1589); allein die bürgerlichen Unruhen und Wirren, welche
damals Frankreich zerfleischten, und das stete Kriegsgetümmel war für
diese Luxusindustrie der Todesstoß und sie siechte dahin. Erst Hein-
rich IV. (1589—1610) brachte wieder neues Leben in die Sache.

Die Anregung hiezu hatten die herrlichen Teppiche gegeben, welche
1594 Dubourg nach Cartons von Lerembert für die Kirche St. Merry
in Paris gefertigt hatte und so beschloß er denn im Jahre 1601
eine neue Manufactur in Paris zu errichten. Er ließ
Künstler aus Italien, Arbeiter aus Flandern kommen, welchen er
besondere Privilegien verlieh, unter denen das Einfuhrverbot aus-
ländischer Tapisserien von besonderer Wichtigkeit war.

Die geschicktesten Weber waren Dubourg, Laurent, später
Marc de Comans und Franyois de la Planche beide aus
Flandern, für welche letztere die schon gegebenen Privilegien noch
erweitert wurden. So hatten sie unter Anderem: das ausschließliche
Fabrikationsrecht auf die Dauer von 25 Jahren, Steuerfreiheit,
Pension und Subvention vom Staate, Annahme von Lehrlingen,
welche vom König bezahlt wurden, das Recht der Arbeiter und Lehr-
linge, Meister in der Fabrik zu werden, die Haltung öffentlicher
Verkaufsläden, ohne daß diese Arbeiter und Lehrlinge das gewerb-
lich vorgeschriebene Meisterstück abzulegen brauchten, sogar das >
Recht einer eigenen Brauerei rc. (Fortsetzung folgt.)



Programm der periodischen internationalen Aus -
stellungen in London.

Die englische Ausstellungscommission vom Jahre 1851 beabsichtigt
eine Reihe internationaler Ausstellungen ausgewählter Proben von

*) Teppiche, welche in Arras gewirkt wurden.

Werken der Kunst und Industrie zu veranstalten, welche alljährlich
in London abzuhalten wären, und zwar zum ersten Male im
Jahre 1871.

Die projektirten Ausstellungen sollen von den früheren wesent-
lich abweichen und namentlich in der Ausdehnung beschränkt werden.

Die Erzeugnisse aller Nationen werden zugelassen, vorbehalt-
lich der Erlangung eines Certifikates competenter Richter über deren
Ausstellungswürdigkeit.

Die Aufstellung der Gegenstände wird klassenweise geschehen,
ohne Rücksicht auf Nationalität.

Tie Ausstellungen sollen am 1. Mai eröffnet und pünktlich
mit dem 30. September geschlossen werden.

Fremde Länder haben keinen zusammenhängenden Raum zur
Verfügung, sondern nur Abtheilungen jeder Classe; übrigens ge-
nießen die fremden Aussteller die Vergünstigung, daß ihre Erzeug-
nisse in London unter den gleichen Vorschriften, wie diejenigen der
britischen Unterthanen zugelassen werden.

Die Ausstellung soll nur aus auserlesenen Gegenständen in
geringer Anzahl bestehen.

Nur solche Gegenstände werden zur Ausstellung zugelassen,
welche von der in jedem Lande zu bildenden Prüfungscommission
als würdig bezeichnet werden.

Das erste Mal werden lediglich drei Classen von Manufacturen
zur Ausstellung gelangen, nämlich:

Töpferwaaren, Wollenzeuge und Wollengarne, dann Gegen-
stände des Erziehungswesens.

Jeder Aussteller darf nur Ein Muster jeder Gattung von
Gegenständen, welche zu den zur ersten Ausstellung zugelasseneu
drei Classen von Manufacturen gehören, zur Ausstellung bringen.

Weiter wird die Vorbedingung gestellt, daß jedes Probestück
sich durch Neuheit, Vorzüglichkeit oder durch eine andere berechtigende
Eigenschaft auszeichne.

Die britische Ausstellungscommission wird die Glasbehälter,
Aufstellungsgestelle kostenfrei zur Verfügung stellen, sowie auch
die Aufstellung und Bewachung kostenfrei besorgen.

Zur Wahrung der Interessen der Aussteller werden Agenten
aufgestellt werden.

Durch die großbritannische Gesandtschaft ist die Aufstellung
einer Commission in Anregung gebracht worden, welche die Aufgabe
hätte, tut Falle der Betheiligung Bayerns an dem fraglichen Unter-
nehmen in Angelegenheiten der Ausstellung mit der englichen Aus-
stellungscommission in directes Benehmen zu treten.

Beschreibung der Kunstbeilagen.

Heft V. Blatt 1. Albumdeckel für eine Adresse für den Bürger-
meister von Memmingen, entworfen von Ad. Seder, ausgeführt
in gravirtem vergoldetem Metalle mit Elfenbeineinlage; die
Schrift ist roth eingelassen. Unterlage: dunkelrother Sammt
mit Juchtenrand. Futter: weiße Seide.

Blatt 2. Englisches Buffet (zum Gebrauche für Wohnzimmer),
in Nußbaumholz oder dunklem Eichenholz auszuführen. Ent-
wurf von A. Seder.

Heft VI. Blatt 1. Thüre mit Verkleidung als Eingang in einen
Erker oder Vorplatz. Das Gitter kann entweder offen oder
auf der Rückseite mit einem Rahmen mit Glas versehen sein.
Das Ganze kann in jedem beliebigen Holze ausgeführt werden.
Entwurf von Anton Pöffenbacher.

Blatt 2. Eisenarbeiten vom Portale der alten Residenz in Mün-
chen, ausgenommen von A. Mecklenburg. Figur 1 und 2 geben
die Thürbeschläge der beiden Hauptportale der alten Residenz
in München wieder. Sie rühren aus der Erbauungszeit, aus
den Jahren 1611—1616 her, und zeigen neben solider Con-
struktion eine lebendige Form, welche mittelst Meiselschlägen
äußerst reich bei aller Einfachheit der technischen Ausführung
verziert sind. Das Gleiche gilt von den beiden Rosetten Fig. 3 u. 4.

Redigirt unter Verantwortlichkeit des Redaktionsausschusses von vr. Lichtenstein.

Kgl. Hosbuchdrnckerei von Or. C. Wolf & Sohn.
 
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